Foto: © imago /VI Images
Jean-Paul Boëtius hat sich bei Feyenoord aufs Abstellgleis manövriert, in Mainz soll der 24-Jährige wieder auf die Überholspur wechseln. Wir machen den Check: Was bringt der Linksaußen mit, wo geht die Reise hin?
Position: Der Neu-Mainzer wurde als Linksaußen geholt, eine Position, wo die 05-Verantwortlichen schon länger Bedarf sahen. „Es ging nicht um die Zeit, sondern um Überzeugung“, erklärt Sportvorstand Rouven Schröder, warum eine Verpflichtung erst nach dem Saisonstart realisiert wurde. „Wir hatten ein klares Profil für diese Position erstellt und wollten uns sicher sein, den Richtigen zu verpflichten, unabhängig von Trends, Marktwerten und Namen.“ Das Ergebnis dieser Analyse heißt also Jean-Paul Boëtius.
Bisherige Karriere: Jean-Paul Boëtius spielte seit der U7 für Feyenoord Rotterdam und schaffte dann auch bei seinem Heimatverein nahtlos den Sprung in den Profibereich – inklusive Treffer gegen Ajax bei seinem Profidebüt. Nach dreieinhalb Saisons beim 15-maligen niederländischen Meister ging es dann aber für zwei Jahre auf Reisen: Zunächst verpflichtete der FC Basel den Flügelstürmer (Bilanz: 14 Ligaspiele, drei Tore, eine Vorlage), doch schon zu Beginn der zweiten Saison reichten die Schweizer ihren Stürmer für eine Saison weiter zu KRC Genk, bevor Feyenoord den Mann aus der eigenen Jugend wieder „nach Hause“ holte. Nun nach bewegten zwei Jahren also Mainz, wo Boëtius einen Vierjahresvertrag unterschrieben hat. Aber das heißt natürlich nichts…
Einstiegsmarktwert: 3.440.000, damit ist man im Kader des 1.FSV Mainz 05 schon einer aus der Feinkostabteilung. Um genau zu sein: Man ist der teuerste Spieler der Rheinhessen. Man muss nicht allzu tief in die Analyse einsteigen um zu ahnen: Für einen, der in der Eredivisie aussortiert und vorher aus der Schweiz nach Belgien verschoben wurde, ist das erstmal zu viel. Deutlich. Auch, wenn die Leistungsdaten aus der abgelaufenen Saison stimmen!
Situation: Am ersten Spieltag der Eeredivisie gab es eine bemerkenswerte Aussage von allerhöchster Stelle über den 05-Neuzugang: „Er war unser bester Mann“, kommentierte Feyenoord-Kapitän Robin van Persie die Leistung von Jean-Paul Boëtius gegen De Graafschap. Kleiner Schönheitsfehler: Der 24-Jährige handelte sich innerhalb von 20 Sekunden eine saudumme Gelb-Rote Karte ein. So saudumm, dass sein damaliger Trainer Giovanni van Bronckhorst zürnte: „Es wird eine schwierige Geschichte für Jean-Paul, aber ich möchte im Moment nicht mehr dazu sagen.“ Die „Geschichte“ hat sich für den Linksaußen inzwischen durch den Wechsel nach Mainz erledigt, in Rotterdam lief er nach seinem Platzverweis nicht mehr auf. Vorher hatte sich der Neu-Mainzer nach einem Vorbereitungsspiel bereits geweigert, an einer Trainingseinheit teilzunehmen.
Boëtius selbst gibt sich geläutert. „Es war ein Riesenfehler. Wenn der Trainer sagt, du musst laufen, dann musst du laufen. Ob man will oder nicht, man muss seinen Job machen“, kommentierte der Spieler die „Geschichte“ bei seiner Vorstellung am Bruchweg. „Bisher hatte ich keine Probleme, jetzt zweimal in kurzer Zeit, das soll nicht mehr passieren.“ Jetzt will der junge Mann die neue Chance nutzen und zwar selbstbewusst mit seinen Qualitäten, die er so beschreibt: „Ich bin kreativ, habe Geschwindigkeit und bin stark im Eins-gegen-Eins.“ Eine Mischung, an die auch 05-Sportvorstand Rouven Schröder glaubt, sonst hätte er sicher nicht 3,5 Millionen Euro locker gemacht. Und in der abgelaufenen Saison traf der Flügelstürmer sechsmal selbst, neun Tore bereitete er vor.
Nach dem bevorstehenden Wechsel von Pablo de Blasis bleiben als Konkurrenten auf der linken Außenbahn vor allem der schnelle Gerrit Holtmann, der zum Ligaauftakt gegen Stuttgart ran durfte, nach seiner Rückkehr wird dann auch Levin Öztunali wieder Ansprüche auf einen Platz in der Startelf anmelden.
Marktwertpotenzial: 3.440.000 sind ein Pfund. Zum Vergleich: Gerrit Holtmann hat zum Saisonstart durchaus überzeugt (und sammelte vier Comunio-Punkte) – und das alles bei einem Marktwert von aktuell 740.000. Und da muss Boëtius erstmal vorbei, denn Sandro Schwarz hat ganz offensichtlich keinen Grund, den Neuen überstürzt in die Mannschaft einzubauen. Das wird wohl eher frühestens in der Länderspielpause nach dem kommenden Spieltag passieren, der Marktwert des Neuzugangs wird also erstmal sinken – auf ein etwas gesünderes Maß.