Bei der U-21-EM in Israel gaben Spanien und Italien den Ton an. Von den Iberern spielte ein Spieler in der vergangenen Saison in der Bundesliga, der italienische Kapitän tut dies ab der kommenden Spielzeit. Und es könnten noch mehr werden…

Im Sommer 2012 standen nicht wenige deutsche Sportredakteure vor einem unerwarteten Problem. Bayer Leverkusen verpflichtete einen neuen Verteidiger für die stattliche Summe von fünf Millionen Euro. Die passende News dazu war binnen kürzester Zeit zusammengehackt oder von einer Nachrichtenagentur eingekauft, doch einen Haken hatte die ganze Sache: Wo sollte man ein vernünftiges Foto des jungen Mannes herbekommen, der zuvor noch keinen einzigen Einsatz für die erste Mannschaft seines Klubs absolviert hat?

Bei den hiesigen Bildagenturen schwankte die Auswahl zwischen null und einem Trainingsfoto des gleichnamigen Ersatz-Nationalkeepers Costa Ricas in Gabor-Kiraly-Schlabberhose, ehe dann doch noch einige wenige, mehr schlechte als rechte Trainingsfotos jenes gewissen „Daniel Carvajal“ aufgetaucht sind.

Vom Nobody zum Leistungsträger

Nur ein Jahr später ist die Auswahl an Carvajal-Fotos mit Jubelpose im Leverkusen-Trikot gigantisch. Der Spanier avancierte zu einem der stärksten Außenverteidiger der Liga, bereitete acht Tore vor und spielt ab der kommenden Saison wieder bei seinem Jugendverein Real Madrid, nachdem die Königlichen von ihrer Rückkaufklausel zu einer Ablöse von 6,5 Millionen Euro Gebrauch machten. Für den Verteidiger hat sich der Wechsel nach Deutschland also gelohnt.

Bei der U-21-EM in Israel diesen Juni reichte es für Carvajal dennoch nur zu einem Platz auf der Bank. Lediglich im letzten, für die Spanier bedeutungslosen, Gruppenspiel kam er zu einem Einsatz – und das als eine der Stützen des souveränen Tabellendritten der Bundesliga.

Zu groß war die Qualität im spanischen Kader, in dem Stars wie Isco, Thiago Alcantara, David De Gea oder Koke standen. Auch Finalgegner Italien hatte mit Marco Verratti, Napolis Lorenzo Insigne oder Stürmer Fabio Borini vom FC Liverpool einige Hochkaräter in Diensten diverser Renommierklubs in den eigenen Reihen. Doch im Schatten der großen (und teuren) Spieler stehen, wie beim Beispiel Carvajals, nicht selten vielversprechende Talente, die auch der Bundesliga gut zu Gesicht stehen könnten.

Caldirola auf Carvajals Spuren

„Der spanische und auch der italienische Markt sind hochinteressant. Es gibt dort sehr viele topausgebildete junge Spieler. Natürlich interessieren wir uns für sie“, gestand Werder Bremens Sportdirektor Thomas Eichin gegenüber der „Bild“. Wenige Tage später präsentierte er Ende Juni mit Luca Caldirola den italienischen Kapitän als Neuzugang an der Weser. Der Innenverteidiger war zuletzt von Inter Mailand an den Zweitligisten Brescia ausgeliehen und soll nun helfen, die chronische Bremer Defensivschwäche zu beheben.

Transfers wie der von Caldirola sind ein Fingerzeig für die Liga: Bei Topstars wie Isco oder Thiago mögen aus Deutschland nur die Bayern und vielleicht noch Dortmund reelle Chance auf einen Transfer haben. Doch längst nicht alle Talente wurden bereits von den großen Vereinen abgegrast.

Bei den Spaniern ist etwa Alvaro Gonzalez (Marktwert ca. 3 Millionen Euro) bei Real Saragossa Stammspieler in der Innenverteidigung. Stürmer Alvaro kam beim FC Getafe in der letzten Saison als Rotationsspieler zum Einsatz und erzielte dabei immerhin fünf Tore. Der 20-jährige Linksverteidiger Alberto Moreno gab in der abgelaufenen Saison sein Profidebüt beim FC Sevilla und ist dort inzwischen gesetzt. Linksfuß Pablo Sarabia, wie Carvajal aus der Real-Jugend, kommt beim FC Getafe im Mittelfeld immer wieder zu Einsatzzeit.

In der gehobenen Preisklasse (Schalke? Wolfsburg?) spielen schließlich zwei Top-Talente aus dem Baskenland: Innenverteidiger Inigo Martinez und Mittelfeldmann Asier Illarramendi waren als Stammspieler maßgeblich am überraschenden vierten Platz von Real Sociedad beteiligt.

Der Inter-Block und ein Ex-Bayer

Preiswerter wären da Talente aus dem italienischen Kader, wo vor allem eine Armada von verliehenen Inter-Spielern hervorsticht: Rechtsverteidiger Giulio Donati ist von Inter Mailand an den Zweitligisten US Grosseto ausgeliehen. Sein Gegenüber Cristiano Biraghi schnürt leihweise beim AS Cittadella die Töppen. Ebenfalls eine Inter-Leihgabe ist Matteo Bianchetti von Aufsteiger Hellas Verona.

Im Sturm hat sich ein gebürtiger Münchner gemausert: 2011 noch in der zweiten Mannschaft des FC Bayern, hat Nicola Sansone nun beim FC Parma einen geschätzten Marktwert von 5 Millionen Euro. Sechs Tore und drei Vorlagen gelangen dem 21-Jährigen in der abgelaufenen Saison. Ein Tor mehr erzielte Mittelstürmer Alberto Paloschi bei Chievo Verona.

Letzter Schliff in der Bundesliga?

Sowohl in Italien als auch Spanien  ist das Angebot taktisch hervorragender und technisch starker Spieler groß. Und die Bundesliga hat in den letzten Jahren für ausländische Spieler enorm an Attraktivität zugelegt. Die Beispiele Carvajal, Javi Martinez, Xherdan Shaqiri oder Robert Lewandowski haben gezeigt, dass der Schritt nach Deutschland genau der richtige sein kann.

Die Bundesliga bietet finanzielle Stabilität und breite Resonanz bei den Zuschauern, wie es sonst nur die Premier League vermag. Ligen wie etwa die russische oder die ukrainische Premier Liga mögen qualitativ enorm zugelegt haben, stellten sich aber zuletzt immer wieder als Gift für Nationalmannschaftsambitionen von Spielern großer Fußballnationen heraus.

Die Chancen stehen also gut, in Zukunft noch mehr der besten Nachwuchsspieler Europas in den Stadien der Republik zu sehen. Für beide Seiten wäre es ein Gewinn, trotz des anfänglichen Kopfzerbrechens in den Sportredaktionen.

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