Nach einem Katastrophenjahr möchte sich 1899 Hoffenheim wieder neu erfinden. Dabei setzt man diesmal nicht auf millionenschwere Transfers, sondern auf Kontinuität. Mit Erfolg?
Die Situation: Wer erinnert sich nicht an den letzten Spieltag der vergangenen Saison, als Roman Weidenfeller Sven Schipplock im Strafraum legte und vom Platz gestellt wurde; als Sejad Salihovic gegen Kevin Großkreutz verwandelte und als ein Abseitstor des BVB in der Nachspielzeit spät, aber zu Recht nicht gewertet wurde. Hoffenheim rettete sich in die nicht mehr für möglich gehaltene Relegation, die man gegen Kaiserslautern dominant gewann.
So erhielt der Club von Mäzen Dietmar Hopp eine neue Chance in der Bundesliga. Die kommende Saison wird nun ganz anders angegangen als die vergangene: Anstelle von teuren, viel Gehalt schluckenden neuen Spielern sondierte man den Markt nach Akteuren, die in die Philosophie und das System von Trainer Markus Gisdol passen.
Damit zieht man die Lehren aus der katastrophalen Saison 2012/13, in der so vieles falsch gemacht wurde – angefangen mit der Verpflichtung von Tim Wiese, der trotz der Missgunst der Fans Publikumsliebling Tom Starke vor die Nase gesetzt wurde und bekanntermaßen häufig patzte, wodurch er im Herbst aufs Abstellgleis geriet. Stürmer Eren Derdiyok, für 5,5 Millionen Euro aus Leverkusen gekommen, floppte ähnlich und auch Joselu konnte seine Ablösesumme nicht rechtfertigen. Während er nun nach Frankfurt verliehen wurde, spielen auch Wiese und Derdiyok keine Rolle mehr.
Ganz ohne Transfers geht Hoffenheim natürlich nicht in die Saison, aber verglichen mit dem Vorjahr erscheinen die Verpflichtungen weit weniger spektakulär. Am teuersten war Mittelstürmer Anthony Modeste (3 Mio), der in der letzten Saison mit 15 Toren in der französischen Liga überzeugen konnte. Dazu kommen der norwegische Linksaußen Tarik Elyounoussi und der 18-jährige Innenverteidiger Kevin Akpoguma.
Darüber hinaus hat man sich von einigen Altlasten getrennt und Trainingslager im Juni auf zehn Spieler verzichtet – darunter namhafte Akteure wie Mathieu Delpierre und Tobias Weis sowie die oben genannten Wiese und Derdiyok.
Nicht nur die Akteure auf dem Feld waren ein großes Problem der TSG, sondern auch die Trainer. Nachdem Markus Babbel und Marco Kurz nicht funktionierten, wurde im April Markus Gisdol an Bord geholt. Der perfekte Zug, wie sich später herausstellte: Gisdol brachte der Mannschaft wieder Spaß am Fußball, wodurch die Kraichgauer aus den letzten sieben Spielen elf Punkte holten – nur einen weniger als in der gesamten Hinrunde. Der Rest ist bekannt.
Nun möchte man in allen Punkten, die schief gelaufen sind, Kontinuität schaffen: Ein guter, bodenständiger Trainer, ein Grundgerüst im Team und diesmal nicht die ganz hohen Ziele. Anstatt von der Europa League zu reden, möchte 1899 einfach nur eine sorgenfreie Saison erleben.
Comunios Player to watch: Kevin Volland. Der U-21-Nationalspieler war schon in der letzten Saison einer der Hoffnungsträger der TSG, konnte aber unter den unruhigen Umständen unter Babbel und Kurz nur selten seine Qualität aufblitzen lassen. In den letzten sieben Spielen holte Volland jedoch 20 Comunio-Punkte und ist nun ein fester Bestandteil in Gisdols Offensivstrategie. Dazu kommt, dass der Angreifer erst 20 Jahre alt ist und noch viel Entwicklungspotenzial hat. Als moderner Stürmer passt er perfekt ins schnelle Umschaltspiel, das unter Gisdol optimiert werden soll. Wenn es Hoffenheim gelingt, Ruhe und Kontinuität zu schaffen, könnte Volland davon stark profitieren. Dann geht auch der aktuelle Comunio-Marktwert von vier Millionen Euro absolut in Ordnung.
Prognose: Das Ziel, diesmal nichts mit dem Abstiegskampf zu tun zu haben, sollte absolut realisierbar sein. Gisdol ist genau der richtige Mann, da er ruhig und sachlich arbeitet und im Gegensatz zu Babbel das Gefüge nicht durch fragwürdige Millionen-Transfers durcheinander gewirbelt hat. Seine Philosophie des schnellen Spiels passt zum vorhandenen Offensivpersonal. Dennoch darf man nicht außen vor lassen, dass die Defensivprobleme noch nicht vollständig gelöst wurden und die TSG sich in diesem Bereich deutlich steigern muss, um wirklich nichts mit dem Abstiegskampf zu tun zu haben. Gelingt dies, wird das Team im Mittelfeld der Liga landen – oder sogar noch weiter oben.
Zugänge: Anthony Modeste (Girondins Bordeaux), Tarik Elyounoussi (Rosenborg Trondheim), Kevin Akpoguma (Karlsruher SC), Edson Braafheid (Enschede, Leihe beendet), Joseph-Claude Gyau (FC St. Pauli, Leihe beendet)
Abgänge: Igor de Camargo (Standard Lüttich), Daniel Williams (FC Reading), Joselu (Frankfurt, ausgeliehen), Filip Malbasic (Partizan Belgrad, ausgeliehen), Stephan Schröck (Eintracht Frankfurt), Knowledge Musona (Kaizer Chiefs, ausgeliehn), Chris (Unbekannt), Takashi Usami (Gamba Osaka, Leihe beendet), Patrick Ochs (VfL Wolfsburg, Leihe beendet), Heurelho Gomes (Tottenham Hotspur, Leihe beendet)