Beim Audi Cup vertritt der FC Sao Paulo den südamerikanischen Kontinent. Doch der Spitzenklub vergangener Tage steckt in der Liga mitten im Abstiegskampf – und hat Ärger mit Weltmeister Lucio.
Es sollte die große Rückkehr ins alte Wohnzimmer werden: Fünf Jahre lang war Lucio der Grundpfeiler in der Bayern-Abwehr – nun wollte er mit dem FC Sao Paulo für den Audi-Cup in die Allianz-Arena zurückkehren.
Doch aus dem freudigen Wiedersehen wird nix: Sein Trainer Paulo Autuori warf den Weltmeister von 2002 kurzerhand aus dem Kader. Für den FC Sao Paulo soll Lucio nun trotz eines Vertrags bis 2015 nicht mehr zum Einsatz kommen. Einen konkreten Anlass ließ sich der Trainer, der schon 1999 bei Gremio Porto Alegre mit Lucio zusammengearbeitet hat, öffentlich nicht entlocken.
Grund sollen allerdings taktische Undiszipliniertheiten des Verteidigers sein. Während ihm seine ehemals berüchtigten Sturmläufe bei den Bayern abgewöhnt wurden, hat der 35-Jährige nun wieder Gefallen daran gefunden. Nicht aber sein Trainer, der sich den Routinier vor versammelter Mannschaft zur Brust nahm. „Das war eine disziplinarische Frage“, stellte dann auch Vizepräsident Joao Paulo de Jesus Lopes einsilbig klar. Aber der brasilianische Traditionsklub hat derzeit weit mehr Probleme als den Stunk mit Lucio.
Abstiegskampf statt Titelrennen
Denn der SPFC ist seit inzwischen elf Spielen sieglos. Wettbewerbsübergreifend gelang dem Team seit vier Spielen kein Tor mehr. So rutschten die Soberano (die „Eigenständigen“) in der brasilianischen Serie A auf den 17. Platz – Abstiegskampf statt Titelrennen also.
Klar ist: Trainer Autuori braucht dringend Erfolgserlebnisse. Am 11. Juli wurde er als Nachfolger von Ney Franco bestätigt. Seitdem holte das Team einen mickrigen Punkt – den immerhin im letzten Ligaspiel gegen Erzrivalen Corinthians.
Es war ein erstes kleines Zeichen von Besserung, nachdem es zuvor im Juli gegen den Stadtrivalen bereits zwei Niederlagen setzte: In der Recopa Sudamericana, dem südamerikanischen Pendant zum europäischen Supercup, verlor der FC Sao Paulo mit Lucio in der Startelf sowohl Hin- als auch Rückspiel. Beim 1:2 im heimischen Estadio do Morumbi waren es mit Paolo Guerrero und Renato Augusto zwei ehemalige Bundesligaspieler, die Autuoris Team mit jeweils einem Tor gehörig ärgerten.
Traurige Wochen für Ceni
Dabei ist der Kader des amtierenden Siegers der Copa Sudamericana, die südamerikanische Variante der Europa League, stark besetzt. Im offensiven Mittelfeld brillierte Ganso in den letzten Jahren und spielte sich so auch in den Fokus europäischer Topklubs. Zudem stehen mit Denilson, Jadson und Topscorer Luis Fabiano weitere Spieler mit Europaerfahrung im Kader.
Und dann ist da noch Torhüter Rogerio Ceni. Wohl kein anderer derzeitiger Spieler verkörpert den SPFC so sehr wie der inzwischen 40-jährige Torhüter. Seit Juli 2005 Rekordspieler des Klubs, erlangte er vor allem als torgefährlichster Keeper der Welt Berühmtheit: 111 Tore erzielte er in seinen inzwischen 1082 Einsätzen für seinen Klub, mehr als die Hälfte davon per Freistoß, ansonsten gern auch vom Elfmeterpunkt. Damit stellt Ceni selbst den unvergessenen Paraguayer Jose Luis Chilavert (62 Tore) locker in den Schatten.
Doch auch Ceni, der seit inzwischen 23 Jahren für Sao Paulo spielt, konnte den historischen Fehlstart seines Klubs nicht abwenden.
Audi Cup zur Unzeit?
Und ausgerechnet in dieser Phase tritt der sechsfache Meister seines Landes beim Audi Cup im fernen München gegen Spitzenteams des Kontinents an. Im Halbfinale geht es dann auch gleich gegen den FC Bayern, der in die heiße Phase der Saisonvorbereitung eingetreten ist. Danach warten im Spiel um Platz drei oder im Finale entweder Manchester City mit Neutrainer Manuel Pellegrini oder der wiedererstarkte AC Mailand – wahrlich keine leichten Aufgaben, um mal eben Selbstvertrauen zu tanken.
So spricht einiges dafür, dass die Reise nach Europa für den gebeutelten FC Sao Paulo statt erfreulicher Abwechslung zum tristen Ligaalltag weitere Abreibungen zur Unzeit im Köcher hat.