Seine Trainerkarriere begann beim beschaulichen SV Straelen. Inzwischen ist Jos Luhukay mit drei verschiedenen Vereinen in die Bundesliga aufgestiegen. Bescheiden und ruhig ist er dennoch geblieben – und inzwischen Spitzenreiter.
Als Jupp Heynckes 2006/2007 Borussia Mönchengladbach in der Bundesliga trainierte, lief es gar nicht rund. Am 22. Spieltag rutschten die Fohlen sogar auf den letzten Tabellenplatz ab. Nach anonymen Morddrohungen gegen Heynckes trat der spätere Triple-Trainer zurück. Sein Nachfolger wurde der bisherige Co-Trainer: Jos Luhukay. Es war für den inzwischen 50-jährigen Niederländer der dritte Posten als Cheftrainer. Zuvor war er für den SC Paderborn und den KFC Uerdingen verantwortlich. Als Trainer am Niederrhein sollte seine Karriere allerdings erst richtig in Schwung kommen.
Auch wenn die Borussia kläglich in die Zweite Bundesliga abstieg, daran konnte auch Luhukay auf die Schnelle nichts ändern. Er änderte für die kommende Saison jede Menge. So stand ein großer Umbruch bevor. Gekauft wurden überwiegend Offensivspieler. Das Ziel, der direkte Wiederaufstieg, wurde ausgegeben. Und Luhukay zeigte, was er zuvor in Paderborn und Krefeld andeutete. Er leistet in aller Ruhe und ohne großes Tam-Tam richtig gute Arbeit. Mit dem besten Offensivduo der Liga (Oliver Neuville und Rob Friend) erreichte Borussia Mönchengladbach am siebten Spieltag den ersten Tabellenplatz – und sollte diesen bis zum Saisonende nicht mehr abgeben.
„Erfolg braucht ein Konzept“
Dass der Aufstieg mit Gladbach kein Zufall war, demonstrierte er wenig später bei seiner nächsten Trainerstation. Nach nur sieben Bundesliga-Spieltagen wurde Luhukay nämlich bei Borussia Mönchengladbach entlassen. Er ging ins beschauliche Augsburg – und führte den FCA in die Bundesliga. Aber nicht nur das. Diesmal schaffte er es auch, seinen Verein in der höchsten deutschen Spielklasse zu etablieren. Für Augsburger Verhältnisse beinahe schon ein Wunder.
Was also macht Luhukay bei seinen Stationen richtig? Zuerst setzt er auf die Grundtugenden Fleiß, Hingabe, Pünktlichkeit, die er auch selber vorlebt. Er ist ein akribischer Arbeiter, der im schrillen Bundesliga-Geschäft als ruhiger Gegenpol zu vielen lauten und exzentrischen Trainern gesehen werden kann. „Jos ist sehr bescheiden, aber man darf deshalb nicht davon ausgehen, er habe zu wenig Durchsetzungsvermögen“, beschreibt sein ehemaliger Augsburger Weggefährte Andreas Rettig den Niederländer in der „Berliner Zeitung“.
Luhukay setzt vor allem auf eines. Auf ein Konzept. Der Niederländer sagte einmal selbst: „Erfolg braucht ein Konzept.“ Er überlässt nichts dem Zufall. Bei Gladbach setzte er auf eine geballte Offensive, die zum Aufstieg führte. In Augsburg sollte eher aus einer sicheren Defensive agiert werden. Luhukay erkennt die Stärken und Schwächen seiner Mannschaft, analysiert ihr Potential und stellt so die Schrauben. Dabei bleibt Luhukay immer der stille Arbeiter im Hintergrund.
„Das ist kein Trainer für die Galerie, aber ein Trainer mit einem klaren Plan, den er auch konsequent umsetzt“, weiß Rettig. Diesen Plan setzt er rigoros um. Manchmal auch mit harten Personalentscheidungen. Unlängst setzte er bei seiner aktuellen Station in Berlin beispielsweise Niemeyer als Kapitän ab. Auch deswegen hat man ihm in Berlin den Spitznamen der kleine Generel gegeben.
Ein Familienmensch mit einschneidendem Erlebnis
Doch abseits des Platzes ist Luhukay ein absoluter Familienmensch. Mit seiner Ehefrau ist er nun seit mehr als 30 Jahren verheiratet. Er hat zwei Kinder. Für den niederländischen Trainer war aber seit Beginn seiner Karriere klar: Die Familie soll nicht ständig mitziehen. Sie soll in Venlo bleiben. Deswegen wohhnt Luhukay bei all seinen Stationen in einem Hotel. Seine Frau reist allerdings zu fast jedem Heimspiel an.
Seine ruhige Art an der Seitenlinie, seine Gelassenheit, nach wichtigen Siegen als auch nach schmerzhaften Niederlagen und die große Wertschätzung seiner Familie. Das kommt nicht von ungefähr. 1989 hatte Luhukay ein einschneidendes Erlebnis, das ihm verdeutlichte, dass der Sport, dass Erfolg nicht alles im Leben ist. Luhukay war Teil der Kleurrijk Elftal, einer Auswahl aus niederländischen Profis mit surinamischen Wurzeln. Eben diese Auswahlmannschaft sollte ein Benefizspiel bestreiten. Jos Luhukay war ebenfalls eingeladen und sollte sich mit den restlichen Teamkollegen in den Flieger setzen. Allerdings musste Luhukay den eigentlichen Flug absagen, weil er mit seinem damaligen Verein VVV Venlo noch ein Relegationsspiel bestreiten musste. Der Flieger, in dem er eigentlich hätte sitzen sollen, stürzte ab. Lediglich elf Menschen überlebten den Absturz. 15 Teamkollegen von Luhukay starben.
Seitdem blickt Luhukay entspannter auf das hektische Profigeschäft. Was nicht heißt, dass er nicht für seine Arbeit lebt. „Ich arbeite immer mit viel Herz und Seele. Wenn ich mich für einen Verein entschieden habe, dann zu 100 Prozent“, so Luhukay in der „Berliner Zeitung“. Nach drei äußerst erfolgreichen Jahren entschied sich Luhukay für Hertha BSC. Sein Abschied aus Augsburg kam durchaus überraschend. Seine Antwort, warum er den FCA verließ, ist aber einleuchtend: „Dort [in Augsburg] habe ich drei Jahre am sportlichen Limit gearbeitet und das Maximale herausgeholt. Mehr ging nicht“, verrät der Niederländer der „Berliner Zeitung“.
„Luhukay kann ein Glücksfall für Berlin werden“
Schon vor dem Aufstieg der Hertha in die Bundesliga wurde Andreas Rettig gefragt, ob das mit Luhukay und Berlin passe. Seine Antwort war eindeutig: „Jos Luhukay kann ein Glücksfall für Berlin werden!“ Und das wurde er auch. Nach einem etwas holperigem Start setzte es in der Zweiten Bundesliga eine 1:3-Niederlage gegen den FSV Frankfurt. Zum ersten Mal in seiner 20-jährigen Trainerlaufbahn platzte Luhukay öffentlich der Kragen. „Viele bei Hertha meinen, sie seien groß und haben einen Namen. Aber das sind sie nicht“, so der Niederländer damals.
Die Wutrede zeigte Wirkung. 21 Spiele war man danach ungeschlagen. Der Aufstieg war so gut wie besiegelt. Spielerisch wurden alle Mannschaften von Luhukay gewissenhaft zusammengestellt. Aber vor allem der Charakter muss auch passen, wenn man unter Luhukay spielen und Erfolg haben will. Darauf legen natürlich viele Trainer großen Wert. Doch bei Luhukay ist es ein zwingendes Muss. „Er achtet neben der spielerischen Qualität sehr darauf, dass die Profis charakterlich passen“, sagt sein Co-Trainer Markus Gellhaus.
Deswegen ist auch der 6:1-Auftakterfolg in der Bundesliga gegen Eintracht Frankfurt kein Zufall. Nicht nur, dass Luhukay mit drei Mannschaften nacheinander in die Bundesliga aufgestiegen ist, er hat sich auch als Trainer erfolgreich entwickelt. Der Punkteschnitt spiegelt das eindrucksvoll wider. Holte Luhukay mit Paderborn noch 1,31 Punkte pro Spiel, waren es bei Augsburg schon 1,61 und bei der Hertha inzwischen 2,22. Der von Rettig prognostizierte Glücksfall ist eingetreten. Mit dem Niederländer als Coach könnte die Hertha sein Fahrstuhlimage der letzten Jahre ablegen. Getreu dem Luhukay-Motto „Mentalität schlägt oft Qualität“.
Dass andere Vereine durch die starken Leistungen des gebürtigen Venloers aufmerksam werden, ist natürlich kein Geheimnis. Aber Luhukay ist keiner, der grundlos nur des schnellen Geldes wegen eine Mannschaft verlässt. „Warum sollte ich träumen, dass ich morgen in Barcelona sitzen darf? Ich bin ein glücklicher Mensch. Ich genieße jeden Moment“, so Luhukay. Und derzeit ist die Momentaufnahme auf Tabellenplatz eins der Bundesliga sicher umso schöner.