Was für ein Spiel. Als die 20.300 Zuschauer, die zuvor den neunzig Derbyminuten zwischen Mainz 05 und Eintracht Frankfurt beiwohnen durften, aus dem Stadion strömten, hatten sie Fußballgeschichte miterlebt.
Die, die es mit den schwarz-weißen Frankfurtern hielten, dürften den einen Punkt als Niederlage empfunden haben, die Mainzer feierten ihn wie einen Sieg – und einer, der noch drinnen im Stadion am Bruchweg weilte, weiß wohl bis heute nicht so genau, wie er diesen herbstlichen Samstag Nachmittag einordnen soll, obwohl er gleich dreimal getroffen hatte. Das Dumme: Zweimal davon, da war es noch hell, stocherte Nikolce Noveski den Ball ins eigene Tor. Später, im Dunkeln, schädelte der Mainzer Kultverteidiger das Leder zur Aufholjagd in dasselbe Tor, das aber inzwischen zum Glück zum Richtigen geworden war. Und weil der Fußball Heldengeschichten liebt, wurde am Ende doch noch alles ein bisschen gut.
Doppelschlag in 132 Sekunden
Seinen Lauf nahm das rheinhessische Drama, da hatte man auf der Haupttribüne die Plätze noch nicht richtig eingenommen: 3. Minute, Ecke Copado, Tor. Der Unglücksrabe Noveski hatte für die Frankfurter Führung gesorgt. Was für ein unglücklicher Start in diesen Nachmittag, aber es blieben ja noch satte 87 Minuten, das Malheur wieder zu beheben. Doch Noveski ließ sich nur 132 Sekunden Zeit, um erneut entscheidend ins Spiel einzugreifen: Ein harmloser Querschläger von Patrick Ochs fand unter Zuhilfenahme einer eigenartig verdrehten Noveski-Hüfte schon wieder den Weg ins falsche Tor. 6 Minuten gespielt, zweinull für die Eintracht, ohne dass ein Frankfurter bisher an diesem Nachmittag aufs Tor geschossen hatte.
Besser im Bett geblieben
»Nach dem ersten Eigentor ging es noch. Aber nach dem zweiten dachte ich: Das kann ja wohl nicht wahr sein! Da habe ich mich echt gefragt, warum ich nicht im Bett geblieben bin“, erzählte der Mazedonier damals. Und hätten die Gäste wenigstens einen ihrer zahlreichen hochkarätigen Konter halbwegs seriös ausgespielt, wäre das Spiel schon vor der Halbzeit endgültig entschieden gewesen. So trotteten die Rotweißen nur mit einem überschaubaren, wenn auch kurios zustande gekommen Rückstand in die Kabinen. Wo sie auf einen geladenen Trainer Jürgen Klopp trafen. „In der Halbzeitpause habe ich ihn rundgemacht, da habe ich ihn angebrüllt. War nicht glorreich von mir. Dann hat er in der zweiten Halbzeit unser Anschlusstor gemacht. Und hinterher hat sich rausgestellt, dass das eine Eigentor gar kein richtiges Eigentor war. Auf den Auftritt bin ich nicht stolz“, erzählte Klopp jüngst anlässlich von Noveskis Abschiedsspiel.
Keine Entscheidung
Und spätestens als sich der an diesem Nachmittag glücklose Eintracht-Stürmer Ioannis Amanatidis mal wieder aussichtsreich in Richtung des Mainzer Tores gemacht hatte und statt endlich die Partie zu entscheiden einen abenteuerlichen Querpass vor dem einsamen Dimo Wache ins Nichts spielte, kippte die Partie. In der 70. Minute sorgte Noveski höchstselbst mit purem Willen für den Anschlusstreffer, dem Petr Ruman in der 90. Minuten den da schon völlig logischen Ausgleich folgen ließ. Der Rest ist Geschichte und die Suche nach der richtigen Einordnung dieses denkwürdigen Nachmittags. Für den Mainzer Abwehrchef standen am Ende der Saison 2005/06 übrigens nicht nur der Klassenerhalt, sondern auch beachtliche 66 Punkte auf der Habenseite. Und auch, wenn er sich später noch zweimal mehr Punkte erköpfte, ergrätschte und erkämpfte, mehr als ein Tor gelang ihm nie wieder in einem Spiel.
Geschichte wiederholt sich – vielleicht
Und heute? Es ist wieder Derbyzeit in Mainz, Flutlichtfußball und zwei Teams auf Augenhöhe. Ein normales Spiel? Oder doch eher die Zeit für ein neues Kapitel Sportgeschichte? Wenn die Zuschauer aus dem Stadion strömen, sitzt vielleicht einer noch drinnen, dem es irgendwann kurz vor Mitternacht so geht, wie Nikolce Noveski. Sieger, Held oder tragische Figur?