Seit elf Jahren wartet Real Madrid auf den zehnten Landesmeister-Titel. Das Streben nach La Decima entwickelt sich immer mehr zum Fluch. Die Königlichen verlieren den Anschluss. Es fehlt eine Identität.
Die Sehnsucht ist groß. La Decima. Der zehnte Titel in der Königsklasse soll es sein. Seitdem Zinedine Zidane im Glasgower Hampden Park den Ball volley im Tor vom damaligen Leverkusen-Keeper Hans-Jörg Butt versenkte und den letzten Champions-League-Titel sicherte, sind mittlerweile elf Jahre vergangen. Viel zu lange für einen Klub mit dem Selbstverständnis von Real Madrid.
Es war die Zeit der Galaktischen, die Zeit der absoluten Weltstars – aber eben auch eine endliche Zeit. In der Folge erreichte Real nie mehr das Finale, gleich sechs Mal in Serie scheiterte man bereits im Achtelfinale. Madrid stand unter Zugzwang. Also wurde „The Special One“ verpflichtet. Jose Mourinho, der Inbegriff von Erfolg, sollte die Sehnsüchte der Königlichen nach dem zehnten Henkelpokal endlich befriedigen. Zusammen mit den Klublegenden Iker Casillas und Sergio Ramos, sowie internationalen Topstars der Marke Cristiano Ronaldo und Mesut Özil, wollte Real die Dominanz des FC Barcelona brechen.
Abgang von Mourinho steht bevor
Doch selbst Mourinho schaffte es bislang nicht, das Starensemble zum ganz großen Triumph zu führen und wird dieses auch wohl nicht schaffen. Nach dem 1:4 im Hinspiel gegen Borussia Dortmund steht Real erneut vor dem Aus. Zudem gilt das Verhältnis von Mou zu Teilen des Teams als zerrüttet. Casillas, einst weltbester Keeper, fristet seit Monaten ein Reservistendasein. Auch Ramos werden atmosphärische Störungen zum Coach nachgesagt.
Der Abgang zum Saisonende ist ein offenes Geheimnis. Eine Rückkehr zur Stamford Brdge und dem FC Chelsea gilt als beschlossene Sache. Aber wie geht es weiter bei Real? Die Mannschaft verkörpert im Gegensatz zu den anderen Halbfinalisten keine eigene Spielidee und hängt einzig von den Geniestreichen ihrer Stars ab. Die Spielweise wirkt antiquiert und der frische Wind, den Özil in die Manschaft brachte, ist längst verflogen. Teams wie der BVB decken schonungslos die Schwächen auf. MÖ10 und auch Ronaldo fanden im Signal Iduna Park nicht statt. Die Offensivspieler hingen völlig in der Luft. Ideengeber und Antreiber Xabi Alonso wurde von den Dortmundern völlig aus dem Spiel genommen.
In der Vergangenheit ließ Real in solchen Fällen die Muskeln spielen. Präsident Florentino Perez öffnete großzügig seine Schatulle und präsentierte stolz den nächsten Weltstar. Die Fans waren glücklich und der neue Glanz überdeckte vorübergehend die Schrammen der Mannschaft.
Identität fehlt
Doch Madrid steht vor einem Problem. Zwar verfügt der Klub noch immer über eins ganz besondere Strahlkraft, aber die Konkurrenz bietet mittlerweile das attraktivere Gesamtpaket. Vom FC Barcelona wechselt ohnehin niemand mehr in die spanische Hauptstadt. Dafür ist die Rivalität in den letzten Jahren wieder zu sehr aufgebrochen. Auch wenn die Katalanen ebenfalls vor dem Aus stehen, gilt deren Spielidee immer noch als das Nonplusultra im Weltfußball. Der FC Bayern ist auf dem besten Weg, Barca vom Thron zu stoßen und besitzt in der kommenden Saison mit Pep Guardiola den Perfektionisten des schönen, modernen Spiels.
Warum sollte ein Topstar also zu Real wechseln? Die Königlichen sind längst nicht mehr die schönste Tochter im Dorf, vielmehr macht sich bei der einstigen Schönheit Torschlusspanik breit. Madrid hat den Anschluss verpasst. Andere Teams entwickeln Spieler nach ihrer Spielidee. Rivale Barca macht es seit Jahren mit ihrer Jugendakademie La Masia vor, selbst der BVB zieht seiner Idee vom Fußball mit großen Schritten an der Fußball-Weltmacht vorbei.
Bei Real wurde in der Vergangenheit zu sehr auf den Glamourfaktor gesetzt und weniger auf die Entwicklung einer eigenen Identität. Ständige wechselnde Trainer tun ihr Übriges. Aufstrebende Talente aus der eigenen Jugend sucht man vergeblich. Die Kaderplätze werden von alternden Weltstars wie Kaka belegt.
Wie geht es also weiter? Ist Real bereit zum Umdenken? Bekommt der neue Trainer Zeit, eine Philosophie entwickeln? Fragen, die die Vereinsspitze beantworten muss. Dass nun Carlo Ancelotti als neuer Trainer gehandelt wird, lässt eher darauf schließen, dass man erneut eher auf den großen Namen setzt und nicht auf ein eigenes Konzept.