Nach seiner Rückkehr zu Borussia Dortmund konnte Nuri Sahin vorerst nicht an alte Leistungen anknüpfen. Mittlerweile hat der Spieler aber fast seine alte Stärke erreicht. Doch wie wichtig ist der 25-Jährige für den BVB?
2011: Das erste Mal seit neun Jahren war Borussia Dortmund wieder deutscher Meister, feierte nach einigen Jahren in der Tabellen-Bedeutungslosigkeit und einer drohenden Insolvenz endlich wieder Erfolge. Das Team um Trainer Jürgen Klopp, der 2008/09 sein Amt antrat, hatte sich kontinuierlich verbessert – und verjüngt. Man machte aus der Geldnot eine Tugend und setzte bevorzugt auf den eigenen Nachwuchs und junge günstige Neuzugänge.
Nuri Sahin unersetzbar?
Nuri Sahin durchlief bereits die gesamte Jugendabteilung des BVB und feierte als bisher jüngster BL-Spieler aller Zeiten schon mit 16 Jahren, 11 Monaten und 2 Tagen am 6. August 2005 sein Debüt für Borussia Dortmund. Trotzdem lief es damals noch nicht wirklich rund für ihn, er verließ den Verein in der Saison 2007/08 als Leihgabe für ein Jahr zu Feyenoord Rotterdam in die holländische Eredivisie. Nuri Sahin war gerade erst 20, als er das erste Mal zum BVB zurückkehrte. Spätestens seit der Rückrunde 2008/09 gehörte er fest zum Kader von Borussia Dortmund.
Der junge Mittelfeldspieler avancierte neben Sebastian Kehl zum Stammspieler auf der Doppelsechs, fand aber erst später in Sven Bender den perfekten Nebenmann. Der Deutschtürke wurde zum unersetzbaren Spielmacher und war maßgeblich am Meistertitel 2011 beteiligt. Als er sich nach dem Erfolg für den Wechsel zu Real Madrid entschied, glaubte kaum einer daran, dass jemand den Mittelfeldregisseur ersetzen könnte. Doch während Nuri Sahin bei den Königlichen verletzungsbedingt den Anschluss verpasste und daraufhin während der gesamten Saison in der Liga nur 127 Minuten zum Einsatz kam und auch eine Leihe zum FC Liverpool keine Verbesserung mit sich brachte, füllte bei Borussia Dortmund ein anderer seinen Platz aus.
Mit Ilkay Gündogan konnte der BVB einen starken und jungen Spieler verpflichten, der den Weggang seines Vorgängers nicht einfach nur kompensierte. Gündogan wurde schnell zum wichtigsten Bindeglied im Team, seine strategische Arbeit einfach unverzichtbar. Auch ohne Nuri Sahin winkte das Double aus Pokal und Meisterschaft und nur ein Jahr später der Einzug ins Finale der Champions League.
Rückkehr zu Borussia Dortmund
Etwas gebeutelt kehrte Sahin als der „verlorene Sohn“ im letzten Winter schließlich zurück in die Heimat. Ausgeliehen von Real war der Spieler „überglücklich wieder zu Hause“ zu sein. Nach anderthalb Jahren ohne ernstzunehmende Spielpraxis natürlich kein leichtes Unterfangen und von der Rückkehr auf seine alte Position keine Rede, dort hatte sich Gündogan festgespielt.
Nachdem er in den ersten beiden Spieltagen der Rückrunde zweimal gegen Sebastian Kehl ausgewechselt wurde und am dritten nicht im Kader stand, ersetzte Sahin gegen den Hamburger SV Gündogan und stand damit erstmals seit einem Jahr und 10 Monaten wieder in der Startelf in Dortmund. Diese Partie wurde mit 1:4 jedoch zur ziemlichen Blamage, langsam, plan- und ideenlos fand der türkische Nationalspieler nicht ins Spiel und verdiente sich gerade mal die „Kicker“-Note 5 – keine gute Vorraussetzung für das anstehende Achtelfinale der Champions League gegen Schachtar Donezk. Klopp setzte lieber auf die bewährten Bender und Gündogan, Sahin durfte erst im Rückspiel ein paar Minuten auf den Rasen, genau wie im rasanten Viertelfinale gegen Malaga. Auf einen Einsatz gegen seinen Ex-Klub Real Madrid hoffte er in seiner Form jedoch vergeblich. Im Finale in Wembley wechselte ihn der Trainer erst in der Nachspielzeit ein – für sage und schreibe eine Minute.
In der Bundesliga profitierte Sahin jedoch von den Ausfällen seiner Kollegen, Kapitän Sebastian Kehl und Sven Bender fehlten gegen Freiburg, in Stuttgart rückte Gündogan auf die 10 und machte den Platz frei für Sahin. Weitere Ausfälle und die Schonung der Stammspieler für die wichtigen Spiele der CL, sicherten Sahin vom 26. bis zum 33. Spieltag den Platz in der Startelf.
Die Leistung, die er brachte, war jedoch nicht konstant genug. Gegen Freiburg schoss er noch zwei Tore, bereitete ein weiteres vor, zeigte sich überhaupt von seiner besten Seite, eine Woche später schwächelte er bereits wieder, und auch in den folgenden Spielen war er immer wieder weit von seinen Meisterleistungen entfernt. Es hakte im Spielaufbau, Sahin leistete sich viele Fehlpässe. Gegen Fortuna Düsseldorf am 31. Spieltag glänzte er wieder, versenkte das Leder mit einem Traumtor aus 31 Metern, legte später zum 2:0 vor.
Der Start in die neue Saison
„Ich habe in diesem Sommer erstmals seit drei Jahren wieder eine komplette Vorbereitung absolviert“, erklärt Nuri Sahin im Interview mit der Welt. Und das merkt man ihm an. Seit dem ersten Spieltag ist er gesetzt, wurde bisher auch kein einziges Mal ausgewechselt. Gegen den SSC Neapel gibt er sogar sein Startelfdebüt für den BVB in der Champions League. Dass Gündogan seit Ende August mit Rückenproblemen fehlt und auch am ersten Spieltag als Mkhitaryan-Ersatz im offensiven Mittelfeld agierte und Sebastian Kehl an einem Bänderriss laboriert, mögen Gründe sein, warum Nuri Sahin derzeit keine Konkurrenz zu befürchten hat. Aber der 25-Jährige ist fit, hat mittlerweile fast zu alter Stärke zurück gefunden, ist wieder der Dreh- und Angelpunkt im Dortmunder Spiel.
Abzuwarten bleibt aber, wie Klopp aufstellen wird, wenn Kehl und Gündogan wieder einsatzbereit sind. Für eine offensivere Variante wäre durchaus die Kombination Gündogan/Sahin denkbar, die es in der Rückrunde der letzten Saison bereits gab. „Die Doppelsechs Sahin und Gündogan ist von uns noch nicht so oft probiert worden. Dass das bei den beiden offensiv gut aussieht ist klar, aber es sah auch defensiv gut aus“, bestätigt Klopp Überlegungen in diese Richtung. Der offensivere Part bleibt dabei sicher weiterhin Gündogan vorbehalten, Sahin hat immer wieder auch gute Defensivarbeitet geleistet. Natürlich könnte der Trainer auch auf das Duo Kehl/Gündogan bauen, auch Bender/Sahin funktionieren zur Zeit gut zusammen. Vielleicht wird aber auch niemand den Vorzug erhalten, Klopp wird wohl auf den gesamten Kader bauen: „Die Jungs müssen lernen, dass sie auch mal draußen sitzen werden, weil wir mehr rotieren werden.“ Schließlich ist der BVB auch in der laufenden Saison der Dreifachbelastung aus Bundesliga, Champions League und DFB-Pokal ausgesetzt.