Korruption, Baumängel und schwankende Leistungen der Nationalmannschaft: Brasilien ein Jahr vor der Weltmeisterschaft im eigenen Land.  

Selbst kurz vor der Weltmeisterschaft 2006 wusste eigentlich niemand so recht, wie es um die deutsche Nationalmannschaft bestellt ist. Die Truppe um Trainer Jürgen Klinsmann lag drei Monate vor dem Turnier auf Platz 22 der FIFA-Weltrangliste – die schlechteste Platzierung in der Geschichte des Deutschen Fußball-Bundes. Das Vertrauen in das Team war nicht groß, mit Michael Ballack gab es nur einen Spieler von globaler Bedeutung.

Brasilien kam hingegen als großer Favorit nach Deutschland. Die Selecao war amtierender Weltmeister und Copa-Amerika-Sieger, 2005 gewannen sie den Confederations Cup und – selbstverständlich – waren sie die Nummer eins der Weltrangliste.

Doch das Schwergewicht stürzte und erlebte einen deutschen Sommeralbtraum. Bereits im Viertelfinale war Schluss – nach einer mehr als lust- und inspirationslosen Vorstellung gegen die Franzosen.

Schleichender Abstieg

Die meisten Brasilianer taten das Ausscheiden als einmaligen Ausrutscher ab. Im Nachhinein war die Niederlage gegen die Equipe Tricolore allerdings der Beginn eines schleichenden Abstiegs. Spanien revolutionierte den Fußball und die eigentlich rechtmäßigen Gralhüter des Joga bonito, des schönen und spektakulären Spiels, verkamen zu Randfiguren – ein für die brasilianische Seele nur schwer zu akzeptierender Zustand.

Viel dramatischer erscheint allerdings, dass die aktuelle Unstetigkeit der Selecao in die Heim-WM 2014 eingebettet ist. Brasilien ist nicht mehr als ein Geheimtipp, zu groß wirkt der Abstand zu den führenden Nationen. „Der Fußball hat sich verändert“, schreibt Tostao, einer der Weltmeister von 1970 in seiner Kolumne für „Folha de Sao Paulo“. „Wir müssen unseren Stil neu erfinden und wieder lernen, zusammen zu spielen.“

Probleme bei den Vorbereitungen

In der Tat fehlt dem Team um Trainer Luiz Felipe Scolari ein solides und kampferprobtes Grundgerüst: Zurzeit gleicht die erste Elf einer Ansammlung von Individualisten. „Alle wissen ja, dass die brasilianische Nationalmannschaft Probleme hatte“, sagt Pele. „Ich kann nur hoffen, dass die Verantwortlichen bis zur WM aus den Spielern eine geschlossene Mannschaft formen.“

Neben den Sorgen um die Selecao gibt es allerdings auch Probleme bei den Vorbereitungen des Turniers. Viele Stadien sind noch immer nicht fertig, Subventionen für die bereits jetzt überlastete Infrastruktur kommen wohl zu spät. Schlagzeilen über Streiks der Bauarbeiter und Korruption bestimmen die Medien.

Wie Deutschland?

Die brasilianische Bevölkerung wirke distanziert und verunsichert, meint der ehemalige Weltklassespieler Zico: „Wegen dessen, was die Leute als Korruption wahrnehmen, verlieren sie den Glauben und denken, die WM ist einfach nur ein Weg für gewisse Leute, sich die Taschen vollzustopfen.“

Nichtsdestotrotz: Der Glaube an ein brasilianisches Sommermärchen ist vorhanden. Bis zum Eröffnungsspiel der Weltmeisterschaft bleibt noch ein Jahr. Vielleicht hilft den Südamerikanern ja ein Blick nach Europa. Deutschland ging es vor der WM 2006 angesichts der Ungewissheit über das eigene Leistungsvermögen ähnlich. Sieben Jahre später gehört sie zu den besten Nationalmannschaften des Planeten und grüßt von Platz zwei der Weltrangliste. Brasilien ist ein wenig abgerutscht – auf Rang 22.