Nach 51 Jahren im Fußball-Niemandsland ist Cardiff City wieder in die Premier League aufgestiegen – und muss sich der Willkür des Investors beugen. Routinier Bellamy soll Verantwortung übernehmen.  

Da oben auf dem Doppeldeckerbus jubeln sie: Die Spieler des walisischen Traditionsklubs Cardiff City, die nach einem halben Jahrhundert in den Niederungen des englischen Liga-Systems und drei vermasselten Playoffs endlich den Aufstieg in die Premier League geschafft haben. Damit ist Cardiff neben Swansea der zweite Verein aus Wales im englischen Fußball-Oberhaus, das gab es seit Gründung der Liga noch nie.

Die Spieler lassen sich dafür gebührend feiern, wedeln mit roten Schals, schwenken rote Fahnen, tragen rotgestreifte Krawatten zu ihren Anzügen. Viele Fans in der Meute tragen dagegen blaue Schals, blaue Trikots und blaue Fahnen. Und sehen – das kann man behaupten, ohne selbst dabei gewesen zu sein – irgendwie so gar nicht glücklich aus.

Es sind die Traditionalisten unter den Fans, denen der sportliche Erfolg nicht so viel bedeutet wie die Geschichte ihres Lieblingsvereins. Denn eigentlich ist Rot nicht die Farbe von Cardiff City, nicht die Farbe der „Bluebirds“, sondern die des Investors Vincent Tan – seit 2010 gehören ihm 36,1 Prozent des Vereins. Zwar hat er mit viel Geld maßgeblich zum Aufstieg beigetragen, im Gegenzug aber die Tradition des Klubs verschachert wie unlieb gewordene Schallplatten.

Aus „Bluebirds” werden „Cardiff Dragons“
Dass Fußballvereine in England in Investorenhand geraten, ist freilich keine Seltenheit; elf der 20 Premier-League-Klubs gehören Mäzenen und Groß-Investoren. Manchester United gehört dem Amerikaner Malcolm Glazer, Chelsea FC dem Russen Roman Abramowitsch, um nur zwei, weil sehr prominente Beispiele zu nennen.

Als Cardiff City 2010 den Pakt mit Vincent Tan einging – damals war der Klub hoch verschuldet – kostete das den Investor umgerechnet 7,5 Millionen Euro. Damals versprach Tan, noch 100 Millionen Euro mehr in den Verein zu investieren, wie üblich als Darlehen. Seine monetären Zuwendungen knüpfte er allerdings an einen strengen Image-Wandel.

Um den Verein für „Fans“ in Malaysia attraktiver zu machen, wurde im Juni 2012 die Vereinsfarbe von blau-weiß – seit 1908 die Farben von Cardiff City – in rot-schwarz geändert. Schließlich, so argumentierte Tan seinerzeit, sei Rot in Asien eine Glücksfarbe – viel besser also. Zudem wurde das Wappen des Vereins so markant umgebaut, dass es heute mit dem alten fast nicht mehr zu vergleichen ist: Der traditionelle „Bluebird“ oder „Sperling“ wurde durch den roten Drachen ersetzt, der auch auf der Wales-Flagge zu sehen ist. Dazu der Slogan „Fire & Passion“, Feuer und Leidenschaft. Aus dem Wappen wurde ein Firmenlogo – Investorenwillkür, wie sie hierzulande kaum denkbar wäre.

Tan denkt nun noch darüber nach, als zweiter englischer Verein nach Manchester United an die Börse zu gehen und den Klub darüber hinaus in „Cardiff Dragons“ umzutaufen. Beispiel hierfür steht aktuell Mit-Aufsteiger Hull City: Dem ägyptischen Investor Assem Allam war der Name „Hull City Association Football Club“ zu sperrig (und wohl auch zu wenig werbewirksam), also entschied er, dass sein Klub fortan unter dem Namen „Hull City Tigers“ firmieren soll.

„Keep Cardiff Blue“ darf nicht demonstrieren
Gegenüber „BBC Wales“ beschwichtigte Tan zwar, es gehe bei der Namensänderung lediglich um den Spitznamen des Vereins: „Unser Name ist unsere Identität und bleibt im Kern erhalten.“ Gleichzeitig verteidigte er aber den Schritt hin zum neuen Label: „Haben sie unter dem Bluebirds-Namen irgendwelche Erfolge erzielt? Warum sollten wir an etwas festhalten, das uns keine großen Erfolge gebracht hat?“

Die Initiative „Keep Cardiff Blue“ (KCB) hat sich gegründet, um das zu bewahren, was vor den Augen der Fans Stein um Stein abgetragen wird: Die Tradition und damit auch die Identität ihres Vereins. Demonstrationen auf dem Vereinsgelände sind der Initiative jedoch verboten worden, und auch in Zuschauer-Kreisen hat nicht jeder Verständnis für die Mitglieder. Der Erfolg der letzten Jahre, gekrönt vom Aufstieg in die Premier League, hat offenbar einen Teil der Fans über den Verlust der Identität des Vereins hinweg getröstet. Oder, wie Tan es gegenüber „BBC“ formulierte: „Ein paar haben sich aufgeregt. Aber es ist wie in jedem Business: Wenn 80 oder 75 Prozent der Konsumenten zufrieden sind, gegenüber 20 bis 25 Prozent, die unzufrieden sind, ist das für uns okay.“

Rekord-Transfer: Gary Medel
Sportlich war Cardiffs Aufstieg in die Premier League überfällig: Dreimal waren die Waliser in den letzten drei Jahren in den Playoffs um den Aufstieg gescheitert. Dass es nun endlich geklappt hat, rechnen viele in Cardiff Trainer Malcolm „Malky“ Mackay an. Unter seiner Leitung überrollte Cardiff förmlich die Championship und wurde Tabellenerster mit 25 Siegen, zwölf Unentschieden und neun Niederlagen. Am Ende stand eine Tordifferenz von +27 zu Buche.

An der Struktur des Kaders hat sich vielleicht auch deswegen nicht allzu viel geändert: sechs Abgängen stehen bisher nur fünf Zugänge gegenüber. Prominentester Neuzugang ist der chilenische Mittelfeldspieler Gary Medel (26), der für 13 Millionen Euro vom FC Sevilla geholt wurde. Mehr Geld hat Cardiff City in seiner Geschichte nie für einen neuen Spieler ausgegeben!

Außerdem wechselte der englische U21-Nationalspieler Steven Caulker (21) von Tottenham Hotspur für 9,15 Millionen Euro nach Cardiff. Andreas Cornelius (20), in der letzten Saison mit 18 Toren bester Stürmer in der dänischen Superliga, kam für 8,7 Millionen Euro vom FC Kopenhagen. John Brayford (25) wechselte von Derby County für 1,74 Millionen Euro und Torwart Simon Moore (23) für eine kaum nennenswerte Ablösesumme vom FC Brentfort. Insgesamt investierte Cardiff bislang gut 32 Millionen Euro in Neuzugänge, Einnahmen durch Spielerverkäufe gibt es nicht.

Die Erfahrung von Craig Bellamy
Vielversprechende Neuzugänge in einem ansonsten wenig veränderten Kader – das spricht für Konstanz und Stabilität. Der Altersdurchschnitt des 29-köpfigen Kaders liegt bei 26,1 Jahren, zwölf Spieler sind 24 Jahre oder jünger – ein durchschnittlicher Wert in der Liga. Ein Nachteil des Aufsteigers wird aber die mangelnde Premier-League-Erfahrung sein.

Hier kommt der älteste Mann im Kader ins Spiel: Craig Bellamy, ehemals als Bad Boy der Liga bekannt. Der 34-jährige Linksaußen wechselte im August 2012 ablösefrei vom FC Liverpool zurück in seine walisische Heimat. Der Routinier war in der Premier League schon für Coventry City, Newcastle United, Blackburn Rovers, West Ham United, Manchester City und zuletzt den FC Liverpool am Ball. Insgesamt kommt er auf 272 Premier-League-Spiele, in denen er 79 Tore schoss. Auch 16 Champions-League-Einsätze stehen in Bellamys Lebenslauf. Seine Aufgabe wird es sein, der Mannschaft die Richtung vorzugeben – insbesondere Andreas Cornelius soll von seiner Erfahrung im Sturm profitieren.

Immerhin: Statt blind Stars einzukaufen, hat Cardiff junge Spieler mit Qualität verpflichtet. An Steven Caulker – neben Medel und Cornelius ein Player to watch – waren angeblich auch andere Premier-League-Teams interessiert. Sein Vertrag läuft bis 2017, Gleiches gilt für Gary Medel. Andreas Cornelius hat sogar bis 2018 unterschrieben. Ob der Kader in der Breite den Ansprüchen in der Premier League gerecht wird, bleibt abzuwarten – Cardiff startet am Samstag, 17. August, bei West Ham United in die Saison (Ergebnis: 2:0 für West Ham, d.Red.). Vermutlich aber wird man in Cardiff den Blick auf das untere Viertel der Tabelle richten müssen, das Saisonziel lautet „Klassenerhalt“. Egal, ob in roten oder in blauen Trikots. \