Bundesliga-Spiele zwischen Werder Bremen und dem Hamburger SV haben eine ganz eigene Brisanz. Das Nordderby elektrisiert die Massen. Gerade in der jüngeren Vergangenheit gab es dabei viele außergewöhnliche Begegnungen. Die Partie am 1. Mai 2004 bleibt dabei den Werder-Fans und Comunio-Spielern in besonderer Erinnerung. Comunioblog blickt zurück.
Die Sonne knallte gnadenlos auf die Ostkurve im Bremer Weserstadion als die 22 Akteure durch den Spielertunnel, der die Kurve damals noch teilte, auf das Feld marschierten. Die Rollen waren klar verteilt.
Werder dominierte seinerzeit völlig überraschend die Liga, ging trotz vier Unentschieden aus den vorangegangenen fünf Partien mit einem satten Sechs-Punkte-Polster vor dem FC Bayern in die Partie. Hamburg kämpfte als Tabellenachter um die Startberechtigung im UI-Cup.
Bremer Sturmlauf
Werder kam gut in die Partie, hatte nach 30 Sekunden schon zwei Mal gefährlich aufs Hamburger Tor geschossen. Der enorme Aufwand, den die Bremer in diesen Tagen häufig betrieben, wurde aber nicht belohnt – bis zur 17. Minute. Eine typische Micoud-Ecke auf den ersten Pfosten rutschte Hamburgs Angreifer Sergej Barbarez über den Scheitel ins kurze Eck.
Der damalige U-21-Nationalkeeper Tom Starke, der erstmals für Stefan Wächter zwischen den Pfosten stand, sah hier zumindest unglücklich aus. Wenig später gab der Torwart dann aber richtig Anlass zu den hitzigen Diskussionen, die es im Anschluss an die Partie noch geben sollte. Bei einem Freistoß von Valerien Ismael stand Starke völlig falsch und kassierte den wenig platzierten Fernschuss in seine Torwartecke.
Der Torwart holte das zweite Mal den Ball aus dem Netz, während der französische Abwehrchef salutierend zu den Werder-Fans abdrehte. Die damaligen Notengeber vom „kicker“ belohnten Ismaels Gala mit der Note 1. Der HSV präsentierte sich dagegen harmlos. Mit Ausnahme eines Lattentreffers von Barbarez ließen die Grün-Weißen, die damals erstmals ihre Farbpalette um Orange erweiterten, gar nichts zu.
Nächster Starke-Patzer
Kurz vor der Pause erhöhte schließlich Ivan Klasnic nach starker Vorarbeit von Johan Micoud und Tim Borowski auf 3:0. Nach dem Wechsel erhöhte Ailton mit einem Linksschuss von der Strafraumkante auf 4:0 – sein 26. Saisontor. Die Hamburger ließen die Köpfe hängen und gaben sich völlig auf.
Werder-Coach Thomas Schaaf nutzte die deutliche Führung und brachte Nelson Valdez und Viktor Skripnik für Klasnic und Pekka Lagerblom. Schaaf bewies mal wieder Händchen mit den Einwechslungen. Valdez überlupfte in der 81. Minute aus ganz spitzem Winkel Keeper Starke. Es war das nächste Tor, das die Leverkusener Leihgabe sich ankreiden lassen musste.
Skripnik setzt den Schlusspunkt
Nachdem Bastian Reinhardt dann noch im eigenen Strafraum die Hand zur Hilfe nahm, zeigte Schiedsrichter Lutz Michael Fröhlich auf den Punkt. „Was macht der Reinhardt für ein Katastrophenspiel. Das Ganz hier wird zu einer Albernheit. Das ist lächerlich. Wenn eine Mannschaft sich in dieser Phase der Saison so lächerlich macht…“, fällte „Premiere“-Kommentator Marcel Reif ein vernichtendes Urteil.
Die Bremer Fans forderten derweil lauthals ihren „Beckham der Ukraine“ und Skripnik machte sich lässig Kaugummi kauend auf den Weg zur Ausführung. Trocken mit links in die Mitte. 6:0. Der Endstand. Eine Woche später machte Werder dann den Deckel drauf. Durch ein 3:1 beim Rivalen Bayern München wurden die Bremer vorzeitig Deutscher Meister.
Hoeneß wittert Verschwörung
Dabei hatte Bayern-Manager noch nach dem Spieltag vollmundig zur Attacke geblasen und gar eine Verschwörung der Nordklubs gewittert. Explizit die Hereinnahme des unerfahrenen Starkes, der einen rabenschwarzen Tag erwischte, stieß Hoeneß sauer auf. „Die Bundesliga kann kein Tummelplatz für irgendwelche Tests sein“, hieß es aus München. „Das ist eine wahnsinnige Sauerei vom HSV, dass er sich in dieser Phase so abschlachten ließ. Dafür habe ich kein Verständnis. Bereits vor zehn Jahren hat der HSV die Bremer schon einmal so zum Meister gemacht.“ Die Ironie des Schicksals wollte es so, dass Starke Jahre später mit den Bayern das Triple holte.
Doch einmal in Rage bekam sich Hoeneß damals gar nicht mehr ein. „Werder hat nur zwei der letzten sechs Spiele gewonnen. Nächste Woche wird sich zeigen, wie nervös sie wirklich sind. Dann werden wir auch sehen, wer die beste Mannschaft in Deutschland ist. Wir müssen die jetzt mit drei, vier Toren Unterschied wegfegen und richtig niedermachen. Dann wird es noch mal richtig spannend.“ Diese Worte sollte ihm nur sieben Tage später kräftig um die Ohren fliegen.
Und auch so manchem Comunio-Spieler dürfte einiges um die Ohren geflogen sein. Zumindest diejenigen, die auf den HSV gesetzt hatten. Kein HSV-Spieler bekam eine bessere Note als 5. Gleich sechs HSV-Spieler – darunter auch Starke – kassierten eine 6. Werder sackte dagegen als Mannschaft unglaubliche 95 Comunio-Punkte ein. Drei davon gingen auf den heutigen Bremer Trainer Viktor Skripnik. Damit könnte er im 102. Derby am Samstag sicher auch leben.