Surreal! Was gestern passiert ist, ist immer noch nicht zu begreifen. Alles perfekt, Klose kommt ausgerechnet gegen Brasilien zu seinem Rekordtor. Das Finale wartet – gegen wen, scheint egal…

„Was’n los hiaa?“, fragt sich Poldi wohl immer noch: Sieben (!!!!) zu eins! Zwicken bringt nichts, eine Nacht drüber schlafen bringt nichts, das Surreale ist Wirklichkeit. Wir haben Brasilien gestern nach allen Regeln der Kunst auseinandergenommen. Besser geht’s nicht.

Nach dem Algerien-Spiel fragte man sich noch, wo man mit der Kritik anfangen soll. Nun kommt man mit dem Loben nicht mehr hinterher. Neuer, König aller Torhüter! Lahm, der Grätschen-Graf, dessen saubere Aktion im Strafraum gegen Marcelo das 0:1 verhinderte – wer erinnert sich überhaupt noch daran?

Ein großartig funktionierendes Mittelfeld! 4-3-3, nicht 4-2-3-1, wie es von den Medien wiedergegeben wird. Khedira und Kroos rückten parallel zum Pressing raus, setzten die brasilianischen Verteidiger früh unter Druck, während Schweinsteiger absicherte. Großartiges Spiel der beiden Achter.

Und Klose… welches Superlativ wurde noch nicht genannt? Der Mann ist eine Legende. Vor den Augen von Ronaldo das sechzehnte WM-Tor erzielt, ein Wahnsinn. Vor vier Jahren blieb er bei 14 stecken; damals dachten die meisten noch, dass es sein letztes WM-Spiel gewesen sei. Pustekuchen! Der Mann will sich mit dem Titel von der WM-Bühne verabschieden.

Endlich hat Jogi seine beste Aufstellung gefunden. Lahm in der Viererkette, Dreier-Mittelfeld mit Schweinsteiger, Khedira und Kroos, Klose im Sturmzentrum mit Schürrle als Edeljoker, selbst die etwas abfallende linke Seite mit Höwedes und Özil wurde gegen bräsige Brasilianer nicht zum Problem. Es hat einfach alles gestimmt!

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ABER: Noch ist nichts gewonnen. Und das DFB-Team tut gut daran, die Sache so zu sehen. Da muss man sich freuen, dass DFB-Präsident Wolfgang Niersbach, der schon nach dem Frankreich-Spiel von einer erfolgreichen WM sprach, nicht Bundestrainer ist. Die Fans dürfen und sollen feiern, die Verantwortlichen müssen auf dem Boden bleiben.

Stellt euch vor, Müller & Co finden im Finale gegen van Gaals Fünferkette oder argentinische Kompaktheit nicht die Mittel und verliert. Am Ende stemmt Arjen Robben die Trophäe in den Himmel – oder eben Lionel Messi. Kann man sich dann noch über das 7:1 freuen? Es mag komisch klingen, aber nur eines kann die deutschen Fußball-Herzen zufriedenstellen: Endlich der Titel.

Und diesbezogen gewann das deutsche Team gestern nicht nur auf dem Platz, sondern auch in den Interviews danach. Löw wirkte schon wieder nüchtern und sachlich, Bierhoff sprach unabhängig vom Gegner von einem 50/50-Finale, was ein sichtlich zufriedener Toni Kroos inhaltsgetreu reformulierte. Nach bitteren Niederlagen in den letzten drei Turnieren wirkt die Mannschaft gereift.

Ein wichtiger Faktor, denn in der Tat wird das Finale ein völlig anderes Spiel. Man darf bei allem Lob für Jogis Jungs nicht vergessen, dass Brasilien die zwei wichtigsten Spieler fehlen, David Luiz‘ unkontrollierte Lucio-artige Vorstöße Lücken in die Selecao-Abwehr rissen und die Südamerikaner nach dem 0:1 unter dem Druck völlig zusammenbrachen. Der Finalgegner wird weit weniger zu verlieren haben und wesentlich gefestigter ins Endspiel gehen.

Copa Comunio: 300.000 Euro pro Spieler für WM-Sieg

Jeder DFB-Spieler bekommt bei einem WM-Sieg satte 300.000 Euro Prämien. Angel di Maria fällt definitiv für das Halbfinale aus. Und Nigel de Jong trainiert wieder für ein mögliches Finale.

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Wer folgt uns? Den meisten ist der Finalgegner egal. Im Comunio-Forum hofft man eher auf Argentinien. User „F360“ sieht die Albiceleste „ähnlich fragil wie die Brasilianer“. Dabei musste Keeper Sergio Romero in der K.o.-Phase noch nicht hinter sich greifen. 1:0 in der Verlängerung gegen die Schweiz, 1:0 gegen Belgien – erinnert irgendwie an Spanien 2010…

Es gibt jedoch auch einige, die auf die Niederlande hoffen. Das Team von Louis van Gaal eignet sich perfekt zum Antagonisten. Der ewige Rivale aus dem Nachbarland mit dem strengen Ex-Bayern-Coach und dem „fliegenden Holländer“, Arjen Robben. Hier wird die Parallele zu 1974 ausgegraben: Sieg im Finale gegen Holland, ein Müller traf zum entscheidenden 2:1.

Ein Spektakel wie gestern ist im Finale unwahrscheinlich. Vor allem, wenn Oranje nachzieht, wird sich das DFB-Team am 5-3-2 weit mehr die Zähne ausbeißen. Dann könnte das neue große Plus, die Standards, wieder mal Gold wert sein. Bei einem Sieg der Niederlande würde es auch im Spiel um Platz drei prickeln: Die angezählte Selecao gegen den großen Rivalen.

Zum Schluss noch ein Hinweis: Auch auf das heutige Halbfinale haben wir eine Vorschau vorbereitet. Schaut mal rein!