Daniel Wirtz: Der Musiker ist WM-Fan!

Foto: © Chris Gonz

Daniel Wirtz ist Musiker mit starken Texten und starkem linken Fuß. Mit seinem Album „Die fünfte Dimension“ landete der Frankfurter auf Platz 3 der Charts, uns erzählt er viel von Emotionen – und der Spielvorbereitung der Profis!

Comunio: Daniel Wirtz, sind Sie WM-Fan?

Daniel Wirtz: Auch wenn ich dafür schon manche mitleidige Blicke und harten Unglauben von Freunden und Bekannten geerntet habe: Ja, ich bin absoluter WM-Fan. Wenn ich die Zeit und die Gelegenheit habe, setze ich mich zum ersten Spiel vor den Fernseher und schalte erst mit dem Abpfiff des letzten Spiels wieder ab. Oder später. Dabei spielt es auch keine Rolle, ob Spanien gegen Portugal auf dem Plan steht oder Panama gegen Tunesien. Gerne auch ganz klassisch in Unterwäsche, T-Shirt und mit Chips und Bier. Die Kombination kommt dann aber doch eher erst zu Spiel drei des Tages zum Tragen.(lacht) Ich weiß, dass es etwas 1000 moralische Gründe gibt, Fußball-Großveranstaltungen abzulehnen, aber sorry: Hier bin ich wirklich schwach.

Comunio: Sie sind im WM-Fieber.

Wirtz: Ich lasse mich mit großer Begeisterung vom WM-Fieber anstecken und finde es genial, wenn Menschen aus allen Nationen ein großes, einendes Thema haben, über das man gemeinsam nach Herzenslust ganz oberflächlich streiten und diskutieren kann. Natürlich gibt es weit Wichtigeres in der Welt, über das man reden sollte, als Fußball, aber darüberkommt man offensichtlich schwerer ins Gespräch. Miteinander sprechen ist immer gut.

Comunio: Wie haben Sie das erste Spiel der DFB-Elf erlebt?

Wirtz: Ich bin Fußballfan, aber weit davon entfernt, ein Fachmann zu sein. Es fällt mir schwer, taktische Fehler aufzuzählen oder falsche Personalentscheidungen zu analysieren. Ich habe nur das Offensichtliche gesehen, das alle gesehen haben: Da stand eine Mannschaft auf dem Platz, die viel mit sich selbst zu tun hatte, der das Feuer gefehlt hat. Die Körpersprache der Spieler war schon früh nicht gerade auf Sieg getrimmt, es wurde viel lamentiert. Auch wenn der Stammtisch grüßen lässt: So kann man kein Spiel gegen einen Gegner gewinnen, der alles rein haut. Das hat beim Zuschauen schon weh getan, als die Überraschung so ab dem 0:1 der Ungläubigkeit gewichen ist. Es gab ja auch schon früher eher träge Spiele, aber da ist es meistens noch irgendwie gut gegangen. Diesmal dann nicht mehr.
Comunio: Und wie das zweite, vorgestern Abend gegen Schweden?

Wirtz: Das war dann natürlich am Ende das totale Gegenteil, zumindest emotional. Es war ja auch nicht alles Gold, was glänzte, zumindest in der ersten Halbzeit. Besonders vertrauensbildend war das ja nicht, was nach der gerade noch vereitelten Chance bis zum Halbzeitpfiff passiert ist. Und dann aber am Ende durfte man dann wieder lernen, warum man Fußball 90 Minuten hassen kann, sich dann aber in der 95. mit einem Schlag wieder ganz neu verliebt. Es geht einfach nicht anders.

Comunio: Sie leben in Frankfurt am Main im Bahnhofsviertel, einem sehr internationalen Teil der Stadt. Wie macht sich die Weltmeisterschaft dort bemerkbar?

Wirtz: Türken und Italiener sind nicht qualifiziert, das sorgt hier für ein kleines bisschen mehr Ruhe. (lacht) Was aber total schade ist, mit ihnen wäre hier wohl noch mehr wohliger Ausnahmezustand als sowieso schon. Hier ist allerdings auch so mehr als die halbe WM-Vorrunde versammelt. Irgendeine hier vertretene Nation spielt immer, ständig hört man jemanden erbittert schimpfen oder euphorisch jubeln. Als Deutscher bin ich hier in manchen Straßen ein echter Exot, da gab es nach dem Mexiko-Spiel natürlich den einen oder anderen hämischen Spruch. (lacht) So muss das sein und die gerechte Strafe für 2014! Mein erster Sommer hier im Viertel war der Sommer 2006, das war gleich ganz gut zum Reinkommen. (lacht)

Comunio: Sind Sie ein guter Verlierer?

Wirtz: Es geht so. Ich kann sehr gut anerkennen, wenn jemand besser ist, egal bei was. Aber macht mich das automatisch zu einem guten Verlierer? Naja. Auf dem Platz oder im Studio beiße ich die Zähne zusammen, aber innen arbeitet es schon wie bei einem echt schlechten Verlierer. (lacht)

Comunio: Wie verlief Ihre eigene Fußballkarriere?

Wirtz: Oh, die läuft noch und das sogar überaus erfolgreich. Ich laufe ab und zu wenn es passt sehr, sehr gerne für die Viva Con Agua-Allstars auf. All Stars! (lacht) Da sind tatsächlich immer große Fußballer dabei. Kevin Kuranyi ist Stammspieler, Arne Friedrich, Christoph Metzelder, Cacau und viele andere treten für die gute Sache und die tollen Menschen, die da so viel bewegen an. Ehrensache, da ebenfalls die Schuhe zu schnüren. Ich gebe aber zu, dass der Alltag eines Musikers mit vielen, langen Abendterminen (schmunzelt) der adäquaten Vorbereitung für die Spiele nicht immer zuträglich ist. So, wie ich den einen oder anderen der Ex-Profis schon erlebt habe, stehen die aber bisweilen auch vor ähnlichen Problemen. (lacht)

Comunio: Wie ist es, neben Kuranyi und Co. aufzulaufen?

Wirtz: Bei diesen Spielen dabei zu sein, ist für mich natürlich ein Geschenk, obwohl es jedesmal einen gewaltigen Druck bedeutet. Man will sich ja auch bei einem Spaßkick für die gute Sache nicht völlig zum Eimer machen. Das klappt mal besser und mal weniger gut. (lacht) Bei meinem ersten Auftritt hat mir Cacau in einer Situation dermaßen Knoten in die Beine gespielt, dass die zumindest im unteren Bereich immernoch ein bisschen verheddert sind. Bemerkenswert ist, dass diese Jungs auch dann noch einen Haufen Ehrgeiz mitbringen, wenn es um nichts geht. Verlieren tut da keiner gerne. Bei unserem letzten Auftritt in Berlin kann ich zumindest für mich in Anspruch nehmen, weniger Chancen vergeben zu haben, als Kevin. Der hat an jenem Samstagmorgen recht konsequent das Tor weit rechts über dem richtigen anvisiert. Das hat scheinbar nur er gesehen. (lacht)

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Comunio: Haben Fußballer und Musiker etwas gemeinsam?

Wirtz: Ich glaube, alle Menschen, die unter Beobachtung der Öffentlichkeit abliefern müssen, ein bisschen etwas gemeinsam haben. Wenn Thomas Müller keine Lust auf Fußball hat, kann er sich Samstag Abend nicht einfach krank melden oder verstecken, denn 80 Millionen ist es egal, wie er sich fühlt. Das ist ein wahnsinniger Druck und ich kann nur hoffen, dass die Vereine und Berater die psychologische Betreuung der Spieler ernst nehmen und weiter verbessern. Von uns Fans nicht zu reden. Auch wenn es um zig Millionen geht, am Ende des Tages stehen Menschen auf dem Platz und eine kaputte Seele lässt sich mit Geld nicht reparieren. Bei mir warten an guten Abenden 3000 Menschen auf mich, die Tickets gekauft haben und die ich nicht enttäuschen möchte, nur weil ich mittags Bauchschmerzen hatte. Das ist in der Dimension natürlich nicht vergleichbar, aber viele Menschen erwarten zurecht etwas von dir, das du ihnen zu einem bestimmten Zeitpunkt liefern musst – ob dir gerade danach ist oder nicht.

Comunio: Zum Abschluss: Wie geht die Weltmeisterschaft für die deutsche Mannschaft weiter?

Wirtz: Auch wenn der Auftritt gegen Mexiko wenig Anlass dazu gab: Irgendwie wird es schon weiter gehen. Der Sieg gegen Schweden könnte ein Brustlöser sein. 2010 gab es ja in der Gruppenphase schon einmal ein Endspiel, damals gegen Ghana. Özil traf zum Sieg, Deutschland kam weiter und scheiterte erst im Halbfinale denkbar knapp gegen Spanien. Aber eine echte, fundierte Prognose ist unmöglich, dafür scheint in der Mannschaft zu viel im Argen zu liegen, wie die Statements der Spieler in der vergangenen Woche nahelegen. Das hörte sich nicht gut an. Und wie ich sagte habe ich von den tieferen Dingen des Fußballs zu wenig Ahnung, kann abkippende Achter oder falsche Neuner oder was auch immer nicht in meine taktischen Überlegungen einbeziehen. Aber was ich weiß: Wenn man den Weltmeister mit einem simplen taktischen Kniff wie der permanenten Bewachung von Kroos im Mexiko-Spiel völlig aus dem Konzept bringen kann, dann ist das ein sehr schlechtes Zeichen.

Comunio: Sie ziehen aus dem zweiten Spiel keine Hoffnung?

Wirtz: Doch, natürlich. Da kommt nach 180 echt unerfreulichen Minuten die 185. Minute daher, es passieren auf einmal unerklärliche Dinge und dein ganzer Pessimismus ist mit einem Schlag wieder dahin. Als der Ball im Netz zappelte war der erste Impuls natürlich „Jetzt holen sie das Ding!“ Da war für Sekunden nicht der Hauch eines Zweifels. (lacht) Das Mexiko-Spiel, der Fehlpass von Kroos, der Platzverweis, der böse Schnitzer von Rüdiger: Alles auf einen Schlag vergessen! Na, mal sehen. Ich habe mit „Moment für die Ewigkeit“ auf unserem aktuellen Album ja DEN Song für die kleine oder große WM-Party am Start, der ist gefühlt schon ein bisschen für ein Publikum von 300.000 Menschen im Freudentaumel geschrieben. Der funktioniert aber natürlich nach einem 1:1 gegen Südkorea einfach nicht. (lacht)
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