Spektakulär war es, als Mesut Özil von Real Madrid zu Arsenal wechselte. Mit einer Ablösesumme von etwa 50 Millionen Euro ist er der teuerste deutsche Spieler aller Zeiten. Ein guter Deal?  

Die Gefahr für Real Madrid

Als die Fans von Real Madrid bei der Vorstellung der Rekord-Verpflichtung Gareth Bale „Ozil no se vende“, übersetzt „Özil verkauft man nicht“ skandierten, war es bereits zu spät. Real-Präsident Florentino Perez legte die Finger auf die Lippen und ordnete damit Ruhe an, denn er hatte bereits Einigung mit dem FC Arsenal erzielt und nachdem am Nachmittag die letzten Formalitäten erledigt wurden, konnte der Transfer am Abend offiziell verkündigt werden. Dass die Madrid-Fans über den leisen Abgang des Publikumslieblings alles andere als erfreut waren, zeigt sich nicht zuletzt an den zahlreichen traurigen Kommentaren über die Nummer 10, die tagelang auf der Facebook-Seite des Vereins erschienen.

Nicht nur die Fans, auch zahlreiche Spieler äußerten öffentlich ihr Missfallen über den Verkauf des Spielmachers. Sergio Ramos sagte, er hätte Özil als einen der letzten ziehen lassen und postete ein Bild mit dem zuletzt getragenen Trikot des Deutschen. Cristiano Ronaldo zeigte sich wütend darüber, dass der Mann, der seine Laufwege am besten kannte, abgegeben wurde, und sogar Neuzugang Isco war verwundert, dass Real nun nicht mehr auf die Qualitäten von Özil zurückgreifen kann. Dass Superstar Ronaldo unzufrieden ist, kann immer eine Gefahr sein – sein Vertrag bei den „Königlichen“ läuft nur noch bis 2015. Verlängert er diesen nicht, müsste Perez ihn im Sommer verkaufen, um noch eine Ablöse kassieren zu können.

In gewissen Punkten ist es sicherlich verständlich, dass Real Madrid die Ablösesumme von knapp 50 Millionen Euro einstreichen wollte. Trainer Carlo Ancelotti machte bereits mehrmals deutlich, dass er eher auf Isco setzt als auf Özil und nachdem man die doppelte Summe für Gareth Bale ausgegeben hatte, war es vernünftig, die angeschlagene Kasse wieder etwas zu entlasten. Dennoch ist der Verlust des Spielertyps Özil eine nicht zu unterschätzende Gefahr für die Madrilenen. Fällt Isco einmal aus, stehen nur noch Spieler wie Modric und Bale positionsfremd für dessen Position zur Verfügung, die jedoch auf anderen Positionen benötigt werden. Und wenn Bale nicht so einschlägt wie erwartet, kann das Pulverfass, das die Fans darstellen, schnell explodieren. Dennoch steht außer Frage, dass Madrid auch ohne Özil eine bombastische Offensive hat.

Die Chance für Arsenal London

Konträr zum Bedauern der Real-Fans steht die Freude der Anhänger von Arsenal London, die monatelang auf einen verprochenen Top-Transfer vertröstet worden waren. Bis zur Verpflichtung des deutschen Mittelfeldspielers war das Agieren der Gunners auf dem Transfermarkt von Misserfolg gezeichnet. Higuain und Suarez sind nur zwei von vielen prominenten Spielern, bei denen ein Kauf scheiterte. Mit Özil hat man nun einen Spieler des gewünschten Kalibers an Bord geholt, der die Fans auch absolut zufriedenstellt. Am 2. September war den ganzen Tag lang die Vorfreude auf den Spielmacher zu spüren und die ironischen Bemerkungen über die Transferpolitik von Arsene Wenger wurden durch positive Kommentare ersetzt.

Für Arsenal ist Özil definitiv ein großer Gewinn, denn er passt perfekt in die Spielphilosophie der Londoner, die über die zentrale mit viel Ballbesitz das Spiel dominieren möchten. Mit Aaron Ramsey und Jack Wilshere oder auch Mikel Arteta hat Özil zentrale Mittelfeldspieler hinter sich, die die Qualität haben, ihn richtig in Szene zu setzen, und gleichzeitig ein gute Absicherung darstellen. Besonders profitabel ist die Verpflichtung für Stürmer Olivier Giroud, der auf die klugen Bälle eines Özil angewiesen ist, um seine enorme Qualität im Abschluss richtig zur Geltung zu bringen. Auch für den schnelle Außen Theo Walcott öffnet der neue Spielmacher weitere Möglichkeiten, seine Stärken einzubringen. Chelsea-Trainer Jose Mourinho zeigte seine Anerkennung für den Transfer, indem er Özil als den weltbesten Zehner adelte und Arsenal kurzerhand die Leihe von Stürmer Demba Ba verweigerte, um eine weitere Stärkung des Konkurrenten zu verhindern.

Dass Arsenal nun in der Breite etwas entlastet ist, hat jedoch auch negative Konsequenzen für einige Spieler. Während Santi Cazorla nun wohl endgültig auf die ungeliebte linke Seite ausweichen muss, scheint die Stunde von Altstar Tomas Rosicky geschlagen zu haben. Für den 111-fachen Nationalspieler Lukas Podolski ist der Özil-Transfer ebenfalls Segen und Fluch zugleich. Wenn er neben Özil in der Offensive spielen darf, könnte sich seine Chance auf einen Stammplatz bei der WM 2014 erhöhen, doch die Konkurrenzsituation ist nun noch härter für den Linksaußen, da der gesetzte Cazorla auf seine Position ausweicht. Zudem ist Podolski noch einige Monate verletzt, sodass er erst zur Rückrunde wieder richtig angreifen kann. Eine derartige Konkurrenz gehört jedoch zu einem Top-Team dazu. Arsenal ist mit Özil weniger berechenbar geworden und verfügt nun in der Zentrale und der Offensive über große Qualität, die die Gunners womöglich wieder zu einem Titelkandidaten macht.

Die Konsequenzen für Özil selbst

Ein Wechsel von Real Madrid zum FC Arsenal erscheint im ersten Moment als ein Rückschritt, denn der Klub aus London hat seit acht Jahren keinen Titel mehr gewonnen. Wäre Özil bei den Königlichen noch immer unumstrittener Stammspieler gewesen, hätte dieser Transfer für ihn auch wenig Sinn gemacht – bei Arsenal soll er eine in der Relation eher unwesentliche Gehaltserhöhung erhalten, sodass auch finanzielle Aspekte keine Rolle gespielt haben dürften. Özil betonte in der letzten Woche mehrmals, dass das Vertrauen des Trainers der Hauptaspekt gewesen sei, der ihn zu dieser Entscheidung gebracht habe. Ancelotti hatte ihn zuletzt kritisiert, während Wenger ihm offenbar das Gefühl vermittelt hat, ganz auf ihn und seine Stärken setzen zu wollen.

Neben der Tatsache, dass Özil zugesichert wurde, auf seiner Lieblingsposition zentral vor der Sturmspitze spielen zu können, was bei Madrid zuletzt nicht immer der Fall war, ist vor allem die Spielpraxis ein relevanter Faktor. In der Nationalmannschaft versuchen Spieler wie Mario Götze, Toni Kroos und Julian Draxler, Özils Stammplatz zu ergattern. Um sich dem Bundestrainer weiter empfehlen zu können, braucht Özil viele Spiele – auch in der Champions League. Wenngleich Arsenal eine Nummer kleiner ist als Real Madrid, war der Wechsel für Özil und seine Ambitionen in Bezug auf die WM 2014 der richtige Schritt.

Es bleibt festzuhalten, dass Özil und der FC Arsenal in dieser Angelegenheit alles richtig gemacht haben. Die Gunners haben ihre Offensivqualität erheblich gesteigert und könnten nun wieder eine Größe im internationalen Geschäft werden, während Özil weiterhin auf hohem Niveau Spielpraxis bekommt, was bei Madrid in dieser Saison nicht sicher gewesen wäre. Für Real Madrid ist der Abgang der Nummer 10 sicherlich ein Verlust, den es aufzufangen gilt. Dies kann die hochklassig besetzte Offensive schaffen, wenn Trainer Ancelotti ein System findet, in dem alle Stars funktionieren. Dennoch wird man Özil im Bernabeu vermissen.