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Ein neues System, viele Veränderungen im Mittelfeld und ein klarer Verlierer im Sturm: Niko Kovac sorgt für frischen Wind bei Borussia Dortmund. Derzeit werden Personalfragen auch durch Verletzungen und Ausfälle beantwortet – doch auf wen setzt Kovac, wenn alle gesund sind?
Borussia Dortmund pendelt zwischen 4-2-3-1 und 3-2-4-1
Niko Kovac hat bei Borussia Dortmund einiges verändert. Die größte Neuerung: Die vier Abwehrspieler bleiben tatsächlich nahezu in der letzten Reihe. Während unter Nuri Sahin der Rechtsverteidiger noch in die Sturmreihe aufrückte und auch der Linksverteidiger teils sehr hoch schob, rückt mit Niko Kovac der Linksverteidiger ins zentrale Mittelfeld ein, der Rechtsverteidiger fällt in eine Dreierkette im Spielaufbau zurück.
Einer der beiden Spieler aus der „Doppelsechs“ bleibt neben dem nun eingerückten Linksverteidiger zurück, der andere schiebt neben den Zehner vor und bildet eine Viererreihe im offensiven Mittelfeld hinter dem Mittelstürmer.
Die Abwehrkette: Couto-Chancen sinken, Can gesetzt, vier Innenverteidiger möglich
Am deutlichsten trifft diese Änderung Yan Couto. Der offensivstarke Außenverteidiger glänzte bei seinem vorherigen Team Girona vor allem durch seine weiten Läufe auf dem Flügel. Diese darf er nun nicht mehr machen, selbst wenn er als Rechtsverteidiger aufläuft. Das macht Couto rechts hinten eher zu einem ungewöhnlichen Kandidaten – es ist nicht unwahrscheinlich, dass der Brasilianer eher als Rechtsaußen eine Chance bekommt. Doch auch Julian Ryerson ist nicht perfekt geeignet für die eingerückte Rolle. Zuletzt machte er es ganz gut – schon bei Union Berlin hatte Ryerson vereinzelt als Halbraumverteidiger gespielt.
Das ist besonders spannend, weil mit Nico Schlotterbeck der linke Halbverteidiger gesetzt ist – und Kapitän Emre Can unter Niko Kovac einen klaren Stammplatz als rechter Innenverteidiger der Viererkette hat. Auch weil er für die zentrale Rolle im Ballbesitz-System perfekt geeignet ist. Mit Niklas Süle, von dem Kovac sehr viel hält, und Waldemar Anton gibt es zwei weitere Innenverteidiger mit Stammplatzansprüchen, die zudem schon Erfahrungen als Rechtsverteidiger haben – und diese Rolle mit Ball noch besser spielen könnten. Beim einzigen Versuch bisher, Süle startete gegen Bochum, ging das jedoch mächtig schief. Vorerst wird also Ryerson hier seinen Stammplatz innehaben, Süle und Anton haben das Nachsehen.
Auf der linken Defensivseite gibt es ein offenes Rennen zwischen Ramy Bensebaini, der in Sahins Wunsch-System noch als linker Innenverteidiger eingesetzt wurde, und Daniel Svensson, der im Winter verpflichtet wurde. Svensson ist gelernter Zentrumsspieler und somit perfekt für diese Rolle geeignet – den Vorzug gegen Union bekam allerdings Bensebaini und er füllte auch die etwas ungewohnte Rolle als eingerückter Zentrumsspieler sehr gut. Derzeit ist der Algerier also Platzhirsch – eine Startelf-Garantie gibt es allerdings nicht.
Konkurrenzkampf im Mittelfeld: Groß und Sabitzer als Gewinner?
In der Schaltzentrale gibt es derzeit wieder drei klare Rollen: Den Sechser, der auch mit dem Ball vor der Abwehrkette bleibt. Den Achter, der gegen den Ball auf die „Doppelsechs“ einrückt und mit dem Ball vorschiebt. Und den Zehner, der gegen den Ball situativ sogar als zweite Spitze fungiert, mit dem Ball allerdings der zentrale Kreativkern des Offensivspiels ist.
Für die letzte Rolle war spätestens mit dem Abgang von Marco Reus immer Julian Brandt zuständig – und machte das zuletzt unter Kovac wieder besser. Gegen den Ball erfüllt der Kreativmann aber die Anforderungen nur mittelmäßig. Weil er verletzt ausfiel, kam hier zuletzt Giovanni Reyna um Zug – und er machte es echt gut als Brandt-Vertreter. Als Startelf-Konkurrent konnte er sich allerdings eher noch nicht in Stellung bringen. Dafür hat er voraussichtlich am Samstag beim FC St. Pauli noch einmal die Möglichkeit – vorausgesetzt, Kovac ändert die Startelf nach einem 6:0-Sieg nicht. Tendenziell dürfte hier Brandt allerdings die Nase vorn haben.
Die Achter-Rolle ist wie gemacht für Pascal Groß, der gerne in offensivere Räume stößt, Tiefenläufe anbietet – und gegen Union Berlin mit unfassbaren vier Assists glänzen konnte. Groß ist der größte Gewinner auf dem Platz und bei Comunio – 21 Zähler sammelte er unter Kovac, nur Topstürmer Guirassy mehr. Carney Chukwuemeka kam zuletzt zwar auch auf der Zehn zum Einsatz, die Rolle als Groß-Vertreter – und potenzieller Groß-Nachfolger, sollte der BVB ihn fest verpflichten – dürfte seinen Skillset allerdings noch besser liegen, denn er ist eher ein Ballschlepper und Läufer als der Kreativkern.
Auf der Sechs wird es nun richtig spannend: Derzeit ist Marcel Sabitzer hier ebenfalls ein Gewinner unter Kovac. Das liegt aber auch daran, dass Felix Nmecha noch etwas länger ausfällt. Bisher macht Sabitzer es ordentlich bis gut und wenn das so weitergeht, besteht für Kovac auch bei Genesung von Nmecha kein Grund, Sabitzer auf die Bank zu setzen – ähnlich der Linksverteidiger-Position ist hier allerdings ein riesiger Konkurrenzkampf zu erwarten.
Die Angriffslinie: Wer stürmt neben Serhou Guirassy?
Unter Nuri Sahin gab es im Sturm des BVB vor allem einen gesetzten Namen: Jamie Gittens. Der Youngster schaffte in der Hinrunde seinen Durchbruch und glänzte als stärkster Spieler der Dortmunder. Nun scheint er aber nach der Winterpause in ein kleines Leistungsloch gefallen zu sein – und Kovac setzt deshalb auch auf andere Spieler. Auf der linken Seite machte es Maximilian Beier gegen Union richtig gut. Rechts glänzte auch Karim Adeyemi mit immer wieder guten Offensivaktionen. Kovac setzt auf die umschaltstarken Flügelflitzer – wenn Gittens wieder in Form kommt, dürfte allerdings einer weichen müssen. Voraussichtlich wäre das Beier, denn auf der rechten Seite ließen seine Leistungen zu wünschen übrig.
Davon profitiert Adeyemi, der nun unangefochten als Stammspieler gilt. Julien Duranville macht zwar Druck und bekommt von Kovac viel Rotations-Spielzeit, wirklich Ansprüche stellen kann der Belgier mit seinen Leistungen allerdings nicht. Zudem ein Bonus: Wird Beier nicht auf den Flügeln gebraucht, könnte er hin und wieder Stürmer Serhou Guirassy entlasten. Der Knipser ist unangefochten Stammspieler – auch weil er die einzige echte Neuner-Option im Kader ist. Kovac kündigte an, ihm Pausen verschaffen zu wollen – doch das ist schwierig ohne Ersatz. Beier könnte das sein.
So sieht die Stammelf von Borussia Dortmund ohne Verletzungen aus:
Kobel – Ryerson, Can, Schlotterbeck, Bensebaini (Svensson) – Sabitzer/Nmecha, Groß – Adeyemi, Brandt, Beier (Gittens) – Guirassy
Ein echtes Duell gibt es derzeit nur auf der Sechs – wenn Nmecha wieder zurück ist. Svensson und Gittens stellen Stammplatz-Ansprüche, sind allerdings derzeit Herausforderer. Rechts hinten ist vieles offen, systembedingt würden Süle und Anton besser passen als Ryerson, der allerdings trotzdem aktuell am besten abliefert.