Die Spannung vor dem Champions-League-Endspiel steigt, die Herzen der Fans schlagen höher. Der Ex-Münchner Olaf Thon spricht im Interview mit Comunioblog über die Saison beider Teams und seinen Favoriten.  

Comunioblog: Herr Thon, am Mittwoch kam die Nachricht, dass Mario Götze für das Endspiel in London ausfällt. War es abzusehen, dass Götze es nicht mehr rechtzeitig schafft?

Olaf Thon: Ich kenne die Problematik ‚Muskelverletzung‘ nur allzu gut. Wenn man eine Zerrung oder einen Faserriss hat, macht es keinen Sinn, aufzulaufen. Außer du hast eine Muskulatur wie Jürgen Klinsmann bei der Europameisterschaft 1996, als er noch rechtzeitig für das Finale wieder fit wurde. Für mich sollte aber sowieso nur ein komplett fitter Spieler in der Startelf stehen.

Comunioblog: Also sollte Ihrer Meinung nach auch Mats Hummels nicht spielen?

Thon: Bei ihm verhält es sich ähnlich. Er wird sich höchstwahrscheinlich nicht so drehen und bewegen können, wie es ihm lieb wäre. Du bist eingeschränkt: Sprays, Tapes – geradeaus laufen geht, mehr nicht. Und wenn dann ein Thomas Müller oder Arjen Robben auf Hummels zu kommen, wird es schwer.

Comunioblog: Weg von den Verletzungen, hin zum Spiel. In den letzten Wochen wurde oft über die Favoritenrolle gesprochen. Stehen die Bayern mehr unter Zugzwang?

Thon: Druck macht auch Kräfte frei. Ich sehe überhaupt nicht, dass da irgendetwas blockieren könnte. Robben, Ribery, Schweinsteiger, Neuer: Sie kennen den Druck und gehen professionell damit um. Wobei ich sagen muss: Wenn einer die Bayern in einem Spiel schlagen kann, dann ist es Borussia Dortmund. Nichtsdestotrotz ist der BVB durch die Verletzung von Mats Hummels und den Ausfall von Mario Götze geschwächt.

Comunioblog: Wie schätzen Sie die Saison der Dortmunder ein?

Thon: Nicht nur in der Champions League, sondern auch in der Bundesliga war es grandios. Ein überragender FC Bayern hat die dritte Meisterschaft in Folge aber verhindert. Vor allem die Gruppenphase in der Königsklasse war auf höchstem Niveau, Real Madrid und Manchester City muss man erstmal hinter sich lassen.

Comunioblog: Könnte der Gedanke der Bayern-Spieler an das letztjährige Finale gegen den FC Chelsea ein Vorteil für die Borussen sein?

Thon: Das steckt in den Köpfen drin. So haben die Bayern in dieser Saison aber auch gespielt. Mit viel Trotz, Ehrgeiz, Fleiß und Emotionen. Die Voraussetzungen für den Titel sind geschaffen. Alles spricht dafür. Die Münchner schlagen sich nicht noch einmal selber. Die Konzentration ist hoch, sie sind vorbereitet.

Comunioblog: Was für ein Spiel erwarten Sie?

Thon: Wenn der BVB in absoluter Top-Verfassung wäre, hätten sie eine klare Chance. Aufgrund der Form des FC Bayern und der Verletzungen von Hummels und Götze ist sie aber eher gering. Vielleicht durch eine Ecke in der 90. Minute, sowas passiert immer mal wieder. Ich glaube aber nicht, dass es das Schicksal nochmal so böse mit den Bayern meint.

Comunioblog: Vor einigen Monaten haben Sie Bastian Schweinsteiger öffentlich kritisiert, nun ist er wahrscheinlich in der Form seines Lebens. Wie wichtig ist er für das Spiel der Bayern?

Thon: Ich habe Bastian Schweinsteiger nicht kritisiert, sondern lediglich festgestellt, was er kann und was er nicht kann. Nach den Aussagen von Günter Netzer und mir hat er sich gesteigert. Außerdem habe ich ihn zu 90 Prozent gelobt. Er passt einfach in das Gebilde des FC Bayern, er ist der Leader. Seine Spielzeit ist überragend. Es ist schön zu sehen, dass er bei dieser Fülle an Weltklassespielern das Hirn der Truppe ist. Ich gönne ihm diesen Titel.

Comunioblog: Inwieweit ist die laufende Champions-League-Spielzeit für Sie ein Abbild des deutschen Fußballs?

Thon: Die beiden besten Mannschaften stehen im Finale. Wir Deutschen können stolz darauf sein, wir können es uns auf die Fahnen schreiben. Das Konzept des DFB greift, es wurde viel Geld in die Hand genommen. Gute Talente, tolle Trainer – es passt einfach!

Comunioblog: Herr Thon, wo schauen Sie sich das große Finale an?

Thon: Ich werde das Spiel in der Nachbarschaft verfolgen. Wir sind 20 bis 25 Leute, da freue ich mich richtig drauf. Und da ich beim FC Bayern gespielt habe, drücke ich selbstverständlich ihnen die Daumen. Ich war sechs Jahre in München. Leider blieb es mir verwehrt, in einem Champions-League-Endspiel zu stehen. Bayern ist in dieser Saison unschlagbar – für mich gewinnen sie das Spiel ganz klar mit 3:0!