Das Fazit für Alemannia Aachen war nach der letzten Kolumne äußerst positiv. Nach elf Spieltagen sieht die Situation aber wieder anders aus. Denn auch in der Regionalliga West geht es offenbar gegen den Abstieg. Ein Minusrekord wurde eingestellt.
Waren das schöne Zeiten. Die letzte Alemannia-Kolumne ist datiert auf den 6. August. Da schien die Sonne auf und neben dem Platz. Alemannia Aachen hatte sich schnell in der Regionalliga West akklimatisiert. Sechs Punkte nach zwei Spieltagen, den großen Rivalen Fortuna Köln auswärts mit 3:1 abgefertigt und über 8000 Zuschauer waren beim ersten Heimspiel. Seitdem hat sich viel getan. Die Schwarz-Gelben sind bis auf Platz 13 abgerutscht, nur noch vier Zähler vor dem ersten Abstiegsplatz.
Traurige Negativhöhepunkte waren sicher die 0:1-Heimniederlage gegen die Zweitvertretung des VfL Bochum und die 0:5-Klatsche bei Borussia Mönchengladbach II. Vor allem die Niederlage gegen Gladbach war schmerzhaft. Im großen Borussia-Park waren etwa 2000 Aachener vor Ort und sie sahen eine schreckliche Leistung der Kartoffelkäfer. Aus dem Lager der Fohlen hieß es danach, dass man es im nächsten Spiel dann mit der U 19 der Gladbacher aufnehmen dürfe, immerhin habe man gegen die U 23 ja absolut keine Chance.
Neuer Rekord: Sechs Niederlagen in Folge
Immerhin durfte man als Aachen-Fan einen Vereinsrekord erleben. Na gut, den hätte man sich aber lieber geschenkt. Denn die Alemannia verlor sechs Ligaspiele in Folge. Das gab es noch nie in der 113-jährigen Vereinsgeschichte. Aber Alemannia Aachen war ja auch noch nie viertklassig. Deswegen passt das ganz gut. Gestern fielen allen Alemannen aber etliche Steine vom Herzen. Wenn man in Unterzahl vor knapp 700 Zuschauern mit 2:1 beim SC Wiedenbrück 2000 gewinnt und sich dann noch freut. Dann weiß man, wo man angekommen ist.
In einer Liga, die verrückter nicht sein kann. 19 Mannschaften, fünf direkte Abstiegsplätze und kein einziger direkter Aufstiegsplatz. Denn wenn man aus der Regionalliga, in der es so gut wie keine TV-Gelder gibt und man so gut wie keine Auswärtsfans begrüßen kann (dass Viktoria Köln bisher die meisten Auswärtsfans an den Tivoli bringt, spricht Bände, oder?), in die Dritte Liga aufsteigen will, muss man nach 38 Spieltagen (!) Erster werden. Und sich dann gegen einen anderen Tabellenersten in einer Relegations-Runde in Hin- und Rückspiel durchsetzen.
Diese Absurdität wurde in der vergangenen Spielzeit auf die Spitze getrieben: Denn die Sportfreunde Lotte hatten nach 38 Spieltagen wahnsinnige 86 Punkte gesammelt und dabei nur vier Mal verloren. Weil man in der Aufstiegsrunde gegen den neureichen Rasenballsport Leipzig aber knapp unterlag, darf man wieder in der Regionalliga West spielen. Wenn man dann sieht, dass man sich gegen Teams wie Viktoria Köln, Rot-Weiss Essen, Fortuna Köln oder eben Lotte in der laufenden Saison durchsetzen, dann noch die Relegations-Spiele gewinnen muss – ja, dann bleibt einem nicht viel Hoffnung als Alemannia-Fan, möglichst zeitnah diese Liga verlassen.
Eine Kita im Tivoli?
Dass die Alemannia schnell wieder in die Dritte oder sogar Zweite Bundesliga kommt, dabei will (natürlich nicht ganz uneigennützig) der Vermarkter Infront sorgen. Mit Günter Netzer als Verwaltungsrat, steigt Infront bei Alemannia Aachen ein. So günstig wie jetzt, ist ein Einstieg bei der Alemannia sicher noch nie gewesen. Als erster Schritt besorgte Infront Aachen einen neuen Trikotsponsor – DocMorris. Passt irgendwie ganz gut zusammen. Die insolvente Alemannia und die online-Apotheke, die oft gegen Klagen kämpfen musste.
Das Ziel von Infront ist es, Alemannia Aachen in neun Jahren wieder zurück in den Profi-Fußball zu bringen. Und dann wird abkassiert. Aber als Aachener ist einem derzeit beinahe alles recht, um diese Regionalliga wieder zu verlassen. Großer Klotz am Bein bleibt bei den Schwarz-Gelben natürlich der neue Tivoli. Deswegen steht derzeit ein Verkauf des gelben Postkastens im Raum. Zum Schmunzeln ist auch die Idee, im Tivoli eine Kita zu integrieren. Natürlich nur oben in den Räumen, nicht auf dem grünen Rasen. Aber warum nicht? Immerhin gibt es in bereits Hotels (in Leverkusen) oder sogar Seniorenheime (im Basler St.-Jakob-Park) in Fußball-Stadien.
Man darf gespannt sein, was sich bei der Alemannia tut. Vor allem, wenn das Insolvenzverfahren voraussichtlich über Neujahr beendet ist. Kommen neue Spieler im Winter? Kann Aachen endlich mal eine Saison ohne Abstiegsängste beenden? Und vor allem: Schafft der SC Wiedenbrück 2000 bis zur nächsten Kolumne seinen ersten Saisonsieg?