Als Alemannia-Fan hat man es in den letzten Jahren nicht leicht. Heute erfolgt der Startschuss zur Kolumne, die Alemannia Aachen in der Regionalliga begleitet.  

Als Fan von Alemannia Aachen habe ich in 20 Jahren wahrlich viel mitgemacht. Meine Erinnerungen fangen in der damaligen dritten Liga, der Regionalliga West, an. Ich kann mich noch ganz genau daran erinnern, dass es im Stadion von Germania Teveren keine Bratwurst, sondern Zitronenkuchen an den Imbissständen gab. Danach kam der steile Aufstieg der Alemannia und meiner Fan-Karriere: Zweite Liga, DFB-Pokalfinale, UEFA-Cup, Bundesliga. Waren schon tolle Zeiten am alt ehrwürdigen Tivoli. So steil der Aufstieg war, so schnell und brutal kam auch der Abstieg. Zweite Liga, Dritte Liga, Insolvenz, Regionalliga. Zum ersten Mal in 113 Jahren Vereinsgeschichte war der TSV Alemannia Aachen viertklassig.

Jetzt heißen die Gegner also wieder SC Verl, SSVg Velbert oder SC Wiedenbrück 2000. Aber eben auch KFC Uerdingen, SG Wattenscheid 09 oder Fortuna Köln. Und eben gegen diese Fortuna ging es zum Saisonauftakt. Zweiter gegen Erster der ewigen Zweitligatabelle in der Regionalliga West. Seems legit. Trotz zwei Abstiegen und einer Insolvenz in Folge ist die Euphorie in Aachen groß. Man hat das Gefühl, dass die Talsohle erreicht ist. Jetzt kann es doch eigentlich nur noch bergauf gehen, oder? Und deswegen waren auch über 2.000 Alemannia-Fans zum Auftakt im Kölner Südstadion vor Ort. Heimspiel in Köln!

Marc-Oliver Robbers Marc-Oliver Robbers Marc-Oliver Robbers

Wie gegen den FC Bayern München
Aber schon vor den Stadiontoren bekam man hautnah mit, was es heißt, in der Regionalliga zu spielen. Ein Eingangstor mit drei Ordnern für über 2.000 Fans. Taschen sollte man doch bitte abgeben. Aber nicht etwa an einer „Garderobe“ oder ähnlichem. Nein, „einfach in den Anhänger neben dem Einlass werfen“, so die schlichte Antwort der Ordner. Beaufsichtigt wurde der Taschen-Anhänger übrigens nicht. Willkommen im Amateurfußball! Weil Alemannia-Spiele neuerdings generell als Gefahrenspiele abgestempelt werden, gab es außerdem alkoholfreies Kölsch in der Kurve. Damit wollte man offenbar die Fans der Gegner demoralisieren. Dann doch lieber ehrlichen Zitronenkuchen.

Zum Spiel muss man keine großen Worte verlieren. Aachen führt nach gerade einmal 50 Minuten mit 3:0 beim Vorjahreszweiten und großen Favoriten aus Köln. Viele fragten sich, wann die Alemannia das letzte Mal einen Gegner an die Wand spielen, 3:0 führen und mehr oder weniger beruhigt den Sieg nach Hause bringen konnte? Aber natürlich. Das müsste 2006 gewesen sein, gegen den FC Bayern München im DFB-Pokal. „Spitzenreiter, Spitzenreiter, hey, hey!“-Sprechchöre schallten nach 90 Minuten durchs Kölner Südstadion. Also wenn sich die Regionalliga so anfühlt, dann will ich mehr davon!

Eine neue Mannschaft, die das alte Alemannia-Gefühl vermittelt
Marc-Oliver RobbersUnd die geschundene Alemannia-Aachen-Fanseele sollte mehr bekommen. Das erste Heimspiel gegen den SC Verl (mit handgezählten 18 Auswärtsfans) musste 15 Minuten später angepfiffen werden, weil der Zuschauerandrang zu groß war (und weil die elektronischen Drehkreuze ausgefallen waren. Denn auch in der Regionalliga sind wir noch immer der „Klömpchensklub“, bei dem nichts so wirklich einwandfrei läuft –  auch nicht mit 33.000-Zuschauer-Stadion).

8.100 Menschen wollten also das erste Heimspiel gegen Verl live im Stadion verfolgen. Sie sollten belohnt werden. Ein verdienter, aber am Ende etwas glücklicher 1:0-Erfolg besorgte die zweite Tabellenführung der jungen Saison. Dabei erlebte der neue Tivoli eine ungeahnte Stimmung. Es wurde vor, während und nach der Partie gefeiert, gesungen und getanzt.

Doch viel wichtiger als sechs Punkte auf dem Konto und die derzeitige Tabellenführung, ist es, das Gefühl zu haben, dass diese Mannschaft wirklich etwas erreichen kann. Dass sich die Spieler auf dem Platz den Allerwertesten aufreißen und dass sie stolz sind, das Schwarz-Gelbe-Trikot mit dem Adler auf der Brust zu tragen. Genau dieses Gefühl konnten die neuen, teilweise unbekannten Spieler in den ersten beiden Begegnungen vermitteln. Den Fans wird ehrlicher Fußball geboten. Ohne viel Schnick-Schnack, ohne viel Theater. Es wird gelaufen, gegrätscht und gearbeitet. Da verzeiht man gerne auch mal den ein oder anderen Fehlpass. Und man wird auch die ein oder andere Niederlage verkraften und erstarkt aus ihr hervor kommen.

Klar, wir spielen nicht mehr in der zweiten, geschweige denn ersten Bundesliga. Aber ehrlich gesagt ist mir die Regionalliga West mit Spielern, die Spaß an ihrem Beruf haben, die Spaß daran haben, für Alemannia Aachen alles zu geben und den Funken auf die Tribüne durch Einsatz und Wille im Spiel überspringen lassen, lieber, als zweite Bundesliga mit einer charakterlosen Mannschaft. Ich für meinen Teil habe richtig Bock auf die Regionalliga – und auf Alemannia Aachen!