Jubel über das 1:1 gegen Freiburg: HSV-Trainer Bruno Labbadia

Der Hamburger SV steckt wieder einmal in großen Abstiegsnöten. Nach jahrelanger Misswirtschaft wäre der Gang in Liga zwei verdient. Aber: Der HSV soll nicht absteigen. Warum?

Selten wurde einem Verein so viel Häme und Schadenfreude entgegengebracht wie dem Hamburger SV in dieser Saison. „Steigt endlich ab!“, ist oft der Tenor in den sozialen Netzwerken. Ganz Fußball-Deutschland wünscht den Rothosen den Abstieg.

Ganz Fußball-Deutschland? Nein! Auch neben den HSV-Fans selbst gibt es eine Minderheit, die dem Bundesliga-Dino im Abstiegskampf die Daumen drückt. Die Gründe dafür sind unterschiedlicher Natur und nicht alle meinen es gut mit dem Verein. Ein (sehr subjektiver) Kommentar.

Was wäre die Bundesliga ohne den HSV?

Nun, aktuell kann man sagen: Ohne den HSV wäre die Bundesliga spielerisch nicht weniger attraktiv. Wer sich wahllos ein Spiel mit Hamburger Beteiligung ansieht, wird von mindestens einer Mannschaft wenig Offensivkunst sehen. In 32 Spielen hat der HSV 22 Tore geschossen – drei mehr als Alex Meier.

Aber außerhalb des Platzes ist der HSV ein Running Gag. Man denke nur an die letzte Saison zurück, als mit Oliver Kreuzer der vielleicht beste Comedian des Landes als Manager eingestellt wurde. So meinte Kreuzer wenige Wochen vor der Winterpause, man würde nun kein Heimspiel mehr verlieren. Es folgten Pleiten gegen Mainz und Augsburg.

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Fettnäpfchen-Manager Kreuzer lieferte einen amüsanten Fauxpas nach dem anderen und wurde folgerichtig in der Sommerpause freigestellt. Selbst im Nachhinein blieb er hartnäckig, erkämpfte sich noch eine Abfindung in Höhe von 800.000 Euro. Zuletzt sah man ihn beim „TV Total Eisfußball Pokal“ kicken – für den FC Bayern.

Aber Kreuzer beiseite, im Sommer sollte ja alles besser werden. Rückkehrer Didi Beiersdorfer und Sportchef Peter Knäbel übernahmen das Ruder und sollten für Kontinuität sorgen. Gute Bundesliga-Profis wie Nicolai Müller und Matthias Ostrzolek wurden für mehrere Millionen verpflichtet, dazu Stützen wie Behrami und Holtby. Konnte ja keiner ahnen, dass sie alle floppen würden.

Die Trainerpolitik des HSV ist auch der pure Wahnsinn. Welcher Trainer war noch gleich zu Beginn der Vorsaison am Ruder? Thorsten Fink? In der aktuellen Saison war es jedenfalls „Retter“ Mirko Slomka. Und, wer hätte es gedacht, nach drei Spielen war Slomka weg. Jugendtrainer Zinnbauer hielt sich immerhin ein halbes Jahr im Sattel.

Dann folgte die beste Comedy-Show der laufenden Saison. Plötzlich war der Sportchef der Trainer, und wir dachten uns: Hey, vielleicht tut sich was, lass uns einen hoffnungsfrohen Artikel schreiben. Nach zwei Wochen konnte man diesen schon wieder in die Tonne kloppen, weil der HSV noch einen draufsetzte.

Bruno Labbadia, entlassen nach dem Halbfinal-Aus (!) in der Europa League 2010 und Platz sieben (!) in der Tabelle, durfte wieder ran. Warum auch nicht? Vier Spiele später stehen sieben Punkte mehr auf dem Konto, die zwar teils glücklich, aber auch teils durch neuen Willen und mehr Leidenschaft erkämpft wurden.

Und plötzlich ist der Mann, der keinen neuen Vertrag erhalten sollte, Hamburgs Held. Gojko Kacar traf zuletzt zweimal in der letzten Minute und sichterte dem HSV damit alleine drei Punkte. Mit ihm kommen die Rothosen auf rund zwei Zähler pro Partie, ohne ihn auf weniger als eine. So eine Statistik weist nicht einmal ein Lionel Messi auf.

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Labbadia indes merkt plötzlich, dass sechs seiner Stammspieler keinen Vertrag für die neue Saison haben. Das war ihm tatsächlich egal. Der Trainer, über den die Fußballfans nicht weniger spotteten als über den HSV selbst, hat einfach Bock auf den Job, sagt wörtlich in der ersten Pressekonferenz, dass „Scheißhausparolen nicht weiterhelfen“, und holt mal eben sieben Punkte in vier Spielen. Herrlich.

Warum ich das alles erzähle? Weil es zeigt: In Hamburg geht’s immer rund, werden ständig neue kuriose Geschichten geschrieben. Was wäre die Bundesliga ohne den HSV? Um einen Chaos-Klub ärmer, aber ein gutes Stück langweiliger.

Der HSV verdient den Abstieg, die Fans nicht

Dass der Unterhaltungswert das einzig gute am HSV ist, gebe ich gerne zu. Was Rafael van der Vaart & Co. über Jahre auf den Rasen bringen, hat mit Erstliga-Fußball wenig zu tun. Verglichen mit hart arbeitenden kleinen Mannschaften wie Freiburg und Paderborn wäre es sicherlich nicht gerecht, wenn diese für den aktuellen HSV weichen müssten.

Was Hamburg wiederum sympathisch macht, sind die Fans. Treue Seelen, die so viel Spott über sich ergehen lassen müssen, die Woche für Woche ins Stadion gehen oder über Sky zuschauen – noch immer gehört der HSV zu den quotenstärksten Teams der Bundesliga – verdienen allerhöchstes Lob.

Wenn man Argumente dafür sucht, warum der HSV drinbleiben müsste, kann man auch die Folgen für die Stadt Hamburg miteinbeziehen. Einer Rechnung des „Hamburger WeltWirtschaftsInstitut“ aus dem „Hamburger Abendblatt“ zufolge würden der Stadt jährlich 50 Millionen Euro flöten gehen. Andernorts wären die Verluste weit niedriger.

Am Ende kann es jeder halten, wie er will. Nach all den Jahren der Misswirtschaft ist es nicht verwerflich, dem HSV den Abstieg zu wünschen. Mir persönlich würde ein wichtiger Teil der Bundesliga und ein großer Unterhaltungsfaktor fehlen. Bei allem Respekt: Hamburg gegen Stuttgart ist für mich immer noch attraktiver als Ingolstadt gegen Darmstadt.

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