Die halbe Mannschaft austauschen und trotzdem Kantersiege einfahren? Die Bayern machen es! Heynckes agiert gekonnt, selbst Kritikern ist der Zahn gezogen.
Wohl noch nie hat eine Mannschaft die Bundesliga derart dominiert wie der aktuelle FC Bayern – dabei ist die Rotation einer der wichtigsten Erfolgsgaranten. Jupp Heynckes tauscht in den englischen Wochen aggressiv aus, sein Kader zahlt es ihm mit Top-Leistungen zurück.
Dass Rotation allerdings nicht immer zum gewünschten Erfolg führt, weiß der Begründer des munteren Startelf-Austauschens nur zu gut. Im November 2007 wechselte der damalige Bayern-Trainer Ottmar Hitzfeld im UEFA-Cup die halbe Mannschaft aus, um sich nach dem 2:2-Unentschieden gegen die Bolton Wanderers in der heimischen Allianz-Arena markigen Worten seines Vorgesetzten Karl-Heinz Rummenigge gegenüber zu sehen.
Der Vorstandsvorsitzende beschrieb seinen Gemütszustand als „stinksauer“ und schob süffisant hinterher, dass Fußball keine Mathematik sei. Zu viel für Hitzfeld – den studierten Mathematik-Lehrer. Ein halbes Jahr später legte er sein Amt bei den Münchnern nieder.
Aggressive Rotation
Eine gewisse Parallele ist sechs Jahre später nicht von der Hand zu weisen. Zum einen scheidet der aktuelle Bayern-Trainer Jupp Heynckes nach der Saison aus seinem Vertrag, zum anderen ist die Rotation fester Bestandteil des Rekordmeisters – dieses Mal allerdings mit der Unterstützung der Vereins-Oberen.
Heynckes handhabt aufgrund der Dreifachbelastung (bis jetzt) gekonnt mit den Kräften seiner Mannschaft. Unzufriedene Spieler geben im Training Vollgas, unlängst berichtete Torhüter Manuel Neuer „11 Freunde“, dass die Intensität der Übungseinheiten gar höher als so manche Bundesliga-Partie sei.
Viel schwerer wiegt allerdings die Tatsache, dass Heynckes es geschafft hat, sein taktisches Konzept so zu verankern, dass trotz Rotation kaum ein Leistungsabfall zu verzeichnen ist. Bei der aktiven Balleroberung greift ein Rad ins andere, die langen und vor allem zu oft ertraglosen Ballstafetten aus Zeiten Louis van Gaals sind ausgetrieben. Moderner und attraktiver habe der FC Bayern noch nie gespielt, sagt Heynckes. Doch trotz der sich immer wieder veränderten Startelf hat sich innerhalb der Truppe ein Kern gebildet, auf den der 67-Jährige nur selten verzichtet.
Neue Hierachie erkennbar
Dante, Bastian Schweinsteiger, Philipp Lahm und Neuer bilden das Gerüst des Starensembles – sie alle kommen in der Bundesliga mindestens auf 25 Einsätze in 26 Partien, lediglich Schweinsteiger fällt mit einem Spiel weniger (24) aus dem Raster. Allerdings dosierte Heynckes die Spielzeiten des Vize-Kapitäns zum Beginn der Spielzeit wegen seines späten Einsteigens in die Vorbereitung. Zum Vergleich: Mario Mandzukic (21 Spiele) und Thomas Müller (22 Spiele) werden ungeachtet ihrer anhaltend starken Form häufiger rausrotiert.
Matthias Sammer attestierte den Vieren nach dem 1:0-Sieg im DFB-Pokal-Viertelfinale gegen Borussia Dortmund eine „Weltklasse“-Leistung. Der Sport-Vorstand habe eine „Achse“ gesehen, eine klare Hierachie, ohne die für ihn kein Erfolg möglich ist.
Heynckes moderiert souverän
Die Rotation hält aber auch Sammer für unabdingbar: „Ein starker, großer Klub muss 15, 16 Stammspieler haben. Wir sollten aufhören, nur über die ersten zehn zu reden, da sind mindestens fünf, sechs Spieler, über die man sagen kann, die waren unmittelbar dabei.“ Für den 45-Jährigen „ist immer der Geist entscheidend, nicht die einzelne Konstellation.“ Mit “einzelnen Konstellationen” könnte Sammer vielleicht auf Arjen Robben und Mario Gomez abzielen. Beide gehörten in den letzten Jahren, wenn einsatzbereit, zu den Unantastbaren innerhalb des Kaders – in der aktuellen Spielzeit sind sie “nur” noch die Spitze des Rotationszirkels.
Doch auch in diesem Fall moderiert Heynckes souverän, immer wieder lässt er sie von der Leine und treibt den Konkurrenzkampf sowie die Leistung auf die Spitze. Was bleibt, ist der Erfolg. Der gesamte Klub wirkt fokussiert wie lange nicht mehr, wohl nie hat eine Mannschaft die Bundesliga derart dominiert. Und selbst Karl-Heinz-Rummenigge weiß, dass die Rotation den Bayern gut tut: „Jupp Heynckes macht alles richtig und gut im Moment.“