Mit der Verpflichtung von Neymar hat der FC Barcelona nun zwei von Messis Sorte. Dadurch entstehen Faktoren, die den Verein verbessern, ihm aber auch schädigen könnten. Comunioblog wägt ab, welche Punkte überwiegen.  

Dieser Transfer hat Signalwirkung: Nachdem der FC Barcelona im Halbfinale der vorigen Champions-League-Saison deutlich am späteren Sieger, dem FC Bayern München, scheiterte, wurde der Ruf der Fans nach einem Top-Transfer laut. Diesen Wunsch wurde mit der Verpflichtung von Neymar, der die perfekte Erfrischung für ein sattes, einzuschlafen drohendes Team darstellen soll, erfüllt. Über fünfzig Millionen Euro soll der 21-jährige gekostet haben – besonders bei nur einem Jahr Restlaufzeit seines Vertrags beim FC Santos eine beachtliche Summe, die jedoch auch dadurch zustande kam, dass mit Real Madrid der größte Konkurrent ebenfalls Interesse angemeldet hatte. Doch ist dieses Geld gut angelegt?

Neymar und das System Barcelona

Auf den ersten Blick passt Neymar, der am liebsten von der Linksaußen-Position aus agiert, perfekt in Barcas 4-3-3, bei dem die Flügelstürmer das Spiel breit machen. Allerdings ist der Brasilianer eher der Typ Spieler, der mit viel Tempo in die Mitte zieht und von dort aus den Abschluss oder eine gute Anspielstation sucht; seine Qualitäten ähneln denen von Lionel Messi, der diese jedoch vom Zentrum ausgehend zur Geltung bringt. Dass also einige Abweichungen vom aktuellen System von Nöten sind, um Neymar ins Spiel integrieren zu können, nimmt der spanische Club in Kauf. Dies ist jedoch im Grunde genommen widersprüchlich zur Entscheidung des letzten Jahres, als man mit der Ernennung von Tito Vilanova zum Cheftrainer Kontinuität bringen wollte – auch in das lange Zeit unangefochtene System Barcelona. Um ein möglichst produktives Traumduo Messi-Neymar zu ermöglichen, nimmt man in Kauf, dieses System etwas zu überarbeiten.

Darüber hinaus ist Neymars Defensivarbeit noch nicht ausreichend ausgereift für das große internationale Geschäft. Die Effektivität im Pressing, die einst Samuel Eto’o oder auch David Villa an den Tag legten, muss der junge Brasilianer noch lernen. Angesichts der Tatsache, dass der stark offensiv orientierte Club im letzten Jahr eine in allen Wettbewerben stark ansteigende Gegentorrate aufweist, könnte sich eine weiterführende Entwicklung entgegen der Defensivarbeit fatal auf die instabiler werdende Verteidigung auswirken. Im modernen Fußball darf man nicht zwei Ausnahmetalente von der Defensivarbeit freistellen und zugleich mit extrem angriffslustigen Außenverteidigern wie Jordi Alba und Daniel Alves agieren.

Nichtsdestotrotz kann Neymar den FC Barcelona wieder weniger berechenbar machen, als dieser im letzten Jahr war. Er ist schließlich nicht nur schnell und wendig, sondern auch abschlussstark, trickreich und mannschaftsdienlich. Ein berühmtes Beispiel dafür schuf der brasilianische Jungstar neulich beim Confed-Cup-Spiel gegen Mexiko, als er in einem Dribbling drei Spieler austanzte, die Übersicht bewahrte und mustergültig Teamkollegen Jo bediente, der nur noch zum 2:0-Endstand einschieben musste. Und den frische Wind, den er mitbringt, kann der FC Barcelona definitiv sehr gut gebrauchen.

Die Sorgen des Johan Cruyff

Neben der Taktik gibt es noch einige weitere Aspekte, die durch den Brasilianer beeinflusst werden. Einerseits bietet der Transfer die Möglichkeit, dass die beiden schnellen, dribbelstarken Stürmer Neymar und Messi mit ihren enormen Qualitäten im Abschluss ein unfassbar gefährliches Sturmduo bilden, doch andererseits bestehen auch einige Gefahren, mit denen sich Barca nun auseinandersetzen muss.

Johan Cruyff, ehemals Trainer und Kapitän des katalanischen Clubs, wertet diese Gefahren so stark, dass er den Verantwortlichen des FC Barcelona geraten hat, nun über einen Verkauf von Lionel Messi nachzudenken. Er sieht eine Reihe von Konflikten auf den Verein zukommen, die man besser hätte vermeiden sollen. Beide seien Freistoßspezialisten und müssen sich nun einigen, wer in Zukunft die Freistöße schießen soll. Zudem sieht er den Fakt, dass Neymar einen Werbevertrag mit Nike hat, während Messi für Adidas wirbt, als Problem.

Wer die Reaktion von Adidas, dem Partner des FC Bayern München, auf das Nike-Shirt, das Mario Götze bei einer Pressekonferenz des Münchener Klubs trug, verfolgt hat, wird diesen Aspekt nicht als völlig schwachsinnig verwerfen. Andererseits hat der FC Barcelona selbst einen Vertrag mit Nike, und dass die Spieler des Clubs beim FC Barcelona bei unterschiedlichen Marken unter Vertrag stehen, war bislang auch nie ein großes Problem. Bei Neymar sieht die Sache in Bezug zum Marketing sogar positiv aus: Ebenso, wie es beim Transfer von Ronaldinho, der ebenfalls bei Nike unter Vertrag stand, vor zehn Jahren der Fall war, erwartet man durch die Verpflichtung von Marketing-Magnet Neymar einen Boom beim Trikotverkauf.

Was die Ausnahmestellung von Lionel Messi betrifft, so wird diese durch die Anwesenheit einer weiteren „Lichtgestalt“ durchaus gefährdet. Eine Art von Rivalität und Konkurrenzkampf zwischen den beiden könnte entstehen, aber dass diese beim Ausführen eines Freistoßes eskaliert, ist zu bezweifeln. Spekulationen über eine Rivalität zwischen dem argentinischen und dem brasilianischen Superstar, die sich in Interviews stets respektvoll begegnen, sollte man ohnehin nicht wirklich anstellen, ohne den beiden eine Chance zu geben, sie zu widerlegen.

Fazit

Dass der FC Barcelona einige taktische Dinge verändern muss, ist kein Problem, sondern vielmehr eine Chance. Die Verpflichtung von Neymar kommt genau zur rechten Zeit und bringt frischen Wind in einer Phase, in der der Stern des Clubs zu sinken droht. Die genannten Gefahren bestehen, doch es ist nicht so, dass sie zwingend eintreffen werden. Ob das Duo Messi und Neymar funktioniert oder scheitert, hängt vor allem davon ab, wie die beiden mit den hauptsächlich von den Medien inszenierten Unsicherheiten umgehen. Wenn sie diese ignorieren können und gemeinsam am Fortschritt des Teams arbeiten, steht einer erfolgreichen Ära nicht mehr viel im Wege.