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Die WM steht vor der Tür und Spanien geht erneut als einer der Favoriten ins Turnier. Comunioblog hat sich mit dem spanischen Journalisten Iñako Díaz-Guerra über den spanischen Kader und die Chancen der Seleccion unterhalten. Diaz-Guerra schreibt für die renommierte spanische Tageszeitung El Mundo und war zudem viele Jahre bei der Diario AS für die Comunio-Bewertungen von Atletico Madrid verantwortlich.
Comunioblog: Señor Díaz-Guerra, in Spanien sind Sie ein bekannter Journalist, aber dieses Interview erscheint auch auf deutsch. Vielleicht können Sie für die deutschen Leser ein bisschen was über ihren Werdegang berichten.
Iñako Díaz-Guerra: Natürlich. Ich habe Journalismus an der Complutense Universität in Madrid studiert und fing danach als Volontär bei Diario AS an. Das war im Jahr 2000. Am Anfang habe ich über alle möglichen Sportarten berichtet, wechselte dann aber zum Fußball und wurde 2004 der verantwortliche Redakteur für die Berichterstattung über Atletico. Gleichzeitig kümmerte ich mich um den Basketball-Bereich und war bei zwei Olympischen Spielen im Einsatz. 2015 bekam ich ein Angebot von El Mundo und musste nicht lange überlegen, es anzunehmen. Dort bin ich für die Sonntagsausgabe “Papel” verantwortlich. Neben meiner Arbeit für die Zeitung bin ich auch gelegentlich bei Radio Marca zu hören.
Comunioblog: Indirekt spielten Sie für Comunio über Jahre eine große Rolle, weil Sie für die Bewertungen der Atletico-Spieler verantwortlich waren. Haben Sie aus dieser Zeit eine Anekdote parat?
Díaz-Guerra: Es war schon ein bisschen unangenehm, und das meine ich nicht als Scherz. Ich habe meinen Job natürlich gemacht, ohne dabei an Comunio zu denken, aber es war echt schrecklich, wenn ich nach einem Spiel meinen Twitter-Account öffnete und ich hunderte Erwähnungen von verrückten Comunio-Spielern hatte. Das endete damit, dass ich mir einen Spaß daraus machte und sie teilweise ein bisschen provozierte. Ich habe dann immer direkt auf die Beleidigungen geantwortet, sie als Höhlenmenschen verspottet oder ihnen erzählt, wie sehr es mich langweilen würde. Das machte natürlich alles nicht besser. (lacht) Das Lustige ist ja, dass ich großer Fan von Managerspielen bin, sie dachten aber, dass ich ein Wichtigtuer bin und sie gar nicht verstehen würde.
Comunioblog: Dann lassen Sie uns besser das Thema wechseln und über Fußball sprechen. Die Weltmeisterschaft steht vor der Tür. Waren Sie schon einmal selbst als Journalist bei einem WM-Turnier im Einsatz?
Diaz-Guerra: Nein, ich war schon bei vielen Sportveranstaltungen vor Ort, aber bei einer WM leider noch nicht.
Comunioblog: Welches WM-Turnier ist das erste, an das Sie sich erinnern können?
Diaz-Guerra: Das war die WM 86 in Mexiko. Da war das Wembley-Tor von Michel gegen Brasilien, das aber im Gegensatz zum WM-Finale 1966 nicht gegeben wurde. Dann die vier Tore von Emilio Butragueño gegen Dänemark und der vergebene Elfmeter von Eloy Oloya im Viertelfinale gegen Belgien. Und natürlich Diego Maradona. Der thronte über allem.
Comunioblog: Ich denke, wie alle Spanier werden Sie den 11. Juli 2010 nie vergessen. Wie haben Sie den Tag, als Spanien Weltmeister wurde, erlebt?
Diaz-Guerra: Ich habe ihn nicht erlebt, ich habe ihn getrunken. (lacht)
Comunioblog: Da waren Sie nicht der einzige Spanier. Was glauben Sie, kann Spanien das 2018 in Russland wiederholen?
Diaz-Guerra: Nein, das glaube ich nicht. Die heutige Mannschaft ist weit von der damaligen entfernt. Damals gehörten alle Spieler im Kader zu den drei oder vier besten Spielern weltweit auf ihrer Position. Heute sind das nur David De Gea, Segio Ramos, Gerard Pique und Sergio Busquets, aber kein einziger offensiver Spieler. Ich glaube, uns fehlt ein bisschen das Talent, auch wenn es immer heißt, dass wir mehr als genug davon haben.
Comunioblog: Spanien hat den finalen Kader schon bekanntgegeben. Was halten Sie von der Auswahl, die Nationaltrainer Julien Lopetegui zusammengestellt hat? Vermissen Sie jemanden im Aufgebot?
Diaz-Guerra: Das könnte auf jeden Fall die letzte Nominierung ohne große Kontroversen gewesen sein. Ich persönlich hätte zwei Personalien anders entschieden. Ich hätte Sergi Roberto anstatt Alvaro Odriozola mitgenommen, weil er einfach vielseitiger einsetzbar ist. Zudem fehlt mir ein richtiger Sechser für den Fall, dass Busquets mal verletzt oder gesperrt ist. Koke, Saul Niguez oder Thiago können da zwar spielen, richtige Sechser sind sie aber nicht. Durch die Polyvalenz von Cesar Azplicueta und Nacho, halte ich es nicht für notwendig so viele Außenverteidiger mitzunehmen und hätte deswegen eher Rodri von Villarreal mitgenommen. Aber das ist alles nicht entscheidend.
Comunioblog: Wie könnte die Startformation im ersten Spiel gegen Portugal aussehen?
Diaz-Guerra: De Gea – Carvajal, Piqué, Ramos, Jordi Alba – Busquets, Koke – Silva, Isco, Iniesta – Diego Costa
Comunioblog: Lassen Sie uns noch über die anderen Team sprechen. Wer sind die Favoriten?
Diaz-Guerra: Vom Talent her Frankreich, als Team Deutschland. Dazu Brasilien, weil sie mal wieder an der Reihe wären und dann Argentinien wegen Lionel Messi.
Comunioblog: Und welche Teams könnten überraschen? Und wer könnte enttäuschen?
Diaz-Guerra: Belgien und Kroatien sind die logischen Überraschungs-Optionen, aber eigentlich habe ich aufgehört, an Belgien zu glauben, obwohl sie alles haben, um erfolgreich zu sein. Ich habe aber noch nie so sehr an Kroatien geglaubt, wie dieses Mal. Kolumbien wird weiterkommen, aber das ist auch nicht wirklich eine Überraschung. Argentinien ist für mich gleichermaßen ein Kandidat, um positiv zu überraschen, aber auch um komplett unterzugehen. Ihre Qualifikation war so schlecht, aber irgendwie habe ich das Gefühl, dass Messi den Maradona geben könnte. Er muss noch in seinen Flow kommen. Aber sobald ich mir sie als Champion vorstelle, kommt mir in den Sinn, dass sie die Gruppenphase nicht überstehen werden. Es wird keine halben Sachen geben bei Argentinien.
Comunioblog: Welche Spieler werden die Stars des Turnier sein?
Diaz-Guerra: Messi, Antoine Griezmann und Dele Alli. Vielleicht noch Christian Eriksen, aber nicht so dominant wie die anderen.
Comunioblog: Haben Sie noch eine Tipp für einen etwas unbekannteren Spieler, dessen Stern aufgehen könnte?
Diaz-Guerra: Er ist jetzt vielleicht nicht unbekannt, aber Timo Werner wird bei Deutschland mi Sturm spielen und das mit guten Leistungen und Effektivität bestätigen. Man muss sich nur an Miroslav Kloses Leistungen bei den vergangenen Turnieren erinnern.