Bahnt sich ein spektakulärer Wechsel an? Bayerns Coach Pep Guardiola spricht ungewohnt offen über seinen ehemaligen Schützling Thiago Alcantara. Er will den jungen Spanier – oder nichts.
Der Transfer vom FC Barcelona zu Manchester United stand eigentlich schon fest – doch nun macht der FC Bayern und vor allem Coach Pep Guardiola in Sachen Thiago Alcantara Ernst. Der beste Spieler der U-21-Europameisterschaft 2013 soll zum Champions-League-Sieger wechseln. „Ich habe Kalle und Matthias nach Thiago gefragt“, sagt Guardiola: „Ich habe zu ihnen gesagt: Ich will diesen Spieler. Entweder Thiago – oder keinen.“
Macht ein Transfer angesichts des überragend besetzten Mittelfelds aber überhaupt Sinn? Drei Fragen, drei Antworten.
Ist Thiago Alcantara eine Verstärkung?
Ein absolutes Ja. Der 22-Jährige ist eine der größten Nachwuchshoffnungen im Land des Welt- und Europameisters. Thiago hat die Talenteschmiede des FC Barcelona durchlaufen, seine fußballerische Ausbildung ist daher mehr als reichhaltig. Mit 19 Jahren debütierte er in der Primera Division – Pep Guardiola höchstselbst zog ihn von der zweiten Mannschaft zu den Barca-Profis.
Thiago strahlt spielerische Eleganz aus, doch ähnlich wie Sergio Busquets kann er Fußball auch arbeiten. Hinzu kommt seine unheimliche Variabilität. Auf den zentralen Positionen im Mittelfeld ist er ohne merklichen Leistungsabfall einsetzbar. „Er kann auf der 6, 7, 8, 10, 11 spielen“, sagt Pep Guardiola.
Auch wenn er in Barcelona weniger als 60 Prozent aller Spiele der letzten Saison absolviert hat: Bei der U-21-EM in Israel zeigte Thiago, warum er so begehrt ist. Er führte die spanische Nationalmannschaft als Kapitän durch das Turnier, im Endspiel gegen Italien erzielte er drei Tore in 33 Minuten. Die Bayern hatten übrigens schon einmal Glück mit einem Kapitän der spanischen U-21: Javier Martinez.
Ungeachtet seiner Klasse macht ihn sein Marktwert im Sommer 2013 besonders interessant: Aufgrund einer mit Barcelona festgelegten Vertragsbestimmung kann Thiago in dieser Transferperiode für rund 20 Millionen Euro verpflichtet werden – schlappe 70 Millionen weniger als die eigentlich geltende Buy-out-Klausel.
Stühlerücken und Konkurrenzkampf 2.0 durch Thiago?
Guardiola bevorzugt wohl das 4-1-4-1-System – durch den (möglichen) Wegfall des zweiten defensiven Mittelfeldspielers ist es allerdings unwahrscheinlich, dass ein eher offensiv orientierter Spieler wie Alcantara auf der defensivstrategisch so wichtigen Position des alleinigen Sechsers agieren würde.
Bastian Schweinsteiger ist im Lauf der Zeit immer weiter nach hinten gerückt, als einziger Sechser wäre er vor allem für die Spielauslösung und die taktische Ordnung zuständig. Auch Luiz Gustavo hat bewiesen, dass er durch seine Aggressivität ein wesentlicher Faktor vor der Viererkette sein kann. Doch wohin mit Javier Martinez? Der unbesunge Held des Triples-Siegers könnte eine Position nach hinten rücken, schon bei Athletic Bilbao spielte der 24-Jährige im Abwehrzentrum.
Der Streit um die Plätze im offensiven Mittelfeld verkäme bei einer Verpflichtung Thiagos indessen zur Schlacht – dagegen erscheinen die letztjährigen Möglichkeiten Heynckes‘ wie ein lahmer Kindergeburtstag.
Ausgehend von der These, dass Mario Götze in vorderster Front eingesetzt wird, bliebe Thomas Müller auf der rechten Außenbahn – und dadurch weiterhin im direkten Duell mit Arjen Robben. Franck Ribery ist auf seiner linken Seite gesetzt: Xherdan Shaqiri würde daher, ähnlich wie Toni Kroos, auf einen Platz in der Zentrale hoffen.
Ein Szenario, dass durch das Aufbieten eines „normalen“ Stürmers völlig hinfällig würde – und gleichzeitig die nächste kraftprotzende Möglichkeit (Götze zusätzlich in der Mittelfeldverlosung) zum Vorschein bringt.
Würde die Verpflichtung des Spaniers Abgänge provozieren?
Für die bei den Profis angedachten Nachwuchsspieler wäre der Transfer ein Schlag ins Gesicht. Emre Cans und Pierre-Emile Hojbjergs Chancen würden sich schlagartig verschlechtern – über ein Leihgeschäft sollten die Verantwortlichen des FC Bayern nachdenken. Dass so etwas lohnenswert ist, zeigen die Beispiele Philipp Lahm und Toni Kroos.
Darüber hinaus stellt sich die Frage, was mit Luiz Gustavo passieren würde. Beim Confederations Cup erspielte sich der Brasilianer einen Stammplatz – könnte er sich im Hinblick auf die Weltmeisterschaft im eigenen Land ein Jahr mit sporadischen Einsätzen leisten? Auch die Akteure, die in der letzten Saison häufig von der Rotationsmaschine erfasst wurden (Shaqiri, Robben), werden sich mit Einwechslungen zehn Minuten vor Schluss nicht zufrieden geben.