Der dienstälteste Trainer mischt mit der ältesten Mannschaft die 2. Liga auf. Union Berlin steht nach zehn Spieltagen auf einem Aufstiegsplatz, und könnte nach 37 Jahren Historisches schaffen.
Zehn Spiele, zwanzig Tore, zwanzig Punkte, dazu acht Siege in den letzten zehn Pflichtspielen und noch keine einzige Auswärtsniederlage. Union Berlin hat sich in der 2. Liga klammheimlich unter die Aufstiegsaspiranten gemischt.
Den Eisernen könnte etwas gelingen, das selbst Routinier und Kapitän Torsten Mattuschka noch nie erlebt hat: Im Falle eines Aufstiegs und des Klassenerhalts der Hertha könnte es erstmals seit 1977 wieder zwei Berliner Klubs gleichzeitig in der Bundesliga geben. Als erster Ostberliner Klub wären die Köpenicker sogar ein absolutes Novum.
Doch wie gelang dem Verein, der auch zu DDR-Zeiten nur die zweite Berliner Geige gespielt hat (hinter Serienmeister BFC Dynamo) der Wandel vom stets klammen Pendler zwischen Zweit- und Drittklassigkeit hin zum Bundesligakandidaten?
Seit dem Aufstieg 2008/2009 spielt Union in der 2. Liga. Mit dem Abstieg hatte der Klub seither zwar nichts zu tun, doch erst in der vergangenen Saison gelang es den Unionern erstmals überhaupt, in der Liga mehr Spiele zu gewinnen als zu verlieren. Dennoch kommt die bislang starke Saison der Berliner nicht überraschend: Schon vor der Saison galt Union als Geheimtipp im Aufstiegsrennen.
Neuhaus bringt Konstanz
Eng verbunden ist der Aufschwung des Klubs mit Trainer Uwe Neuhaus. 2007 kam der Hattinger nach Berlin und arbeitete damit erstmals in seiner gesamten Karriere als Trainer und Spieler außerhalb Nordrhein-Westfalens. Und es scheint zu passen zwischen dem inzwischen 53-Jährigen, der inzwischen der dienstälteste Trainer im deutschen Profifußball ist, und den Köpenickern.
Während seiner Amtszeit hat sich auch im Verein einiges geändert: Mithilfe der eigenen Fans ist die Alte Försterei vom baufälligen Problemfall zu einem echten Schmuckkästchen geworden. Fast edes Spiel ist inzwischen ausverkauft. Im hippen Berlin ist Union mittlerweile der kleine, angesagte Neffe der alten Tante Hertha.
Auf dem Posten als kaufmännischer Leiter folgte 2011 mit Nico Schäfer ein Diplom-Betriebswirt mit Know-How auf Ex-Fußballer Christian Beeck. Und das Duo Schäfer/Neuhaus harmoniert blendend.
Gute Adresse für Routiniers
„Wir geben Geld in einem überschaubaren Rahmen aus, damit sind wir bisher sehr gut beraten gewesen“, beschreibt Schäfer das Transfercredo der Eisernen, das auch schon zu Beecks Zeiten galt.
Und das solide Wirtschaften macht sich bezahlt. Erstmals konnten die Berliner in diesem Sommer mehr für Neuzugänge ausgeben, als sie durch Spielerverkäufe eingenommen haben – und das ohne Bauchschmerzen.
Der Großteil der Neuzugänge kam jedoch erneut ablösefrei oder für eine günstige festgeschriebene Ablöse. Die geringe oder wegfallende Ablöse bietet Schäfer wiederum Spielraum bei den Vertragsverhandlungen: „Es ist immer ein Gesamtpaket, das man schnürt. Wenn einer ablösefrei ist, wirkt sich das auch auf sein Grundgehalt aus.“
Das macht die Berliner auch für Bundesligaspieler zu einer echten Option. In Beraterkreisen ist Union inzwischen längst als lukrative Adresse für Spieler bekannt.
Vorbild St. Pauli
Dabei steuern die Berliner dem vorherrschenden Jugendwahn entgegen. So kamen mit dem gebürtigen Berliner Benjamin Köhler und Mario Eggimann erfahrene Akteure jenseits der 30. Sören Brandy zählt mit seinen 28 Jahren ebenfalls gestandener Profi. Bereits fünfmal hatte die Union-Startelf in dieser Saison ein Durchschnittsalter von über 29 Jahren – kein Zweitligist schickte eine ältere Truppe auf den Platz.
Die Eisernen haben eine erstaunliche Metamorphose durchlebt: Der einst sympathische, aber etwas miefige Ostverein hat sich runderneuert, ohne mit seinen Wurzeln zu brechen und spielt inzwischen bewusst mit seinem Charakter als Kultklub, ähnlich wie der FC St. Pauli – der letzte Klub, der dafür gesorgt hat, dass zwei Vereine aus einer Stadt in der Bundesliga stehen. Es scheint also nicht der schlechteste Weg zu sein.