Nach nur zehn Monaten muss Michael Wiesinger beim 1. FC Nürnberg wieder gehen. Was lief schief? Jetzt soll Christian Gross kommen und den Club umkrempeln. 

Eigentlich war allen Verantwortlichen und Fans klar, dass nach der deftigen 0:5-Pleite gegen den Hamburger SV, ein Team „auf Augenhöhe“, wie es Verteidiger Per Nilsson beschrieb, Konsequenzen folgen würden. Mit nur fünf Punkten und keinem einzigen Sieg gestartet, steckt der 1. FC Nürnberg wieder mitten im Abstiegskampf. Dann die Demütigung im eigenen Stadion. Die höchste Niederlage seit 1998. Unmittelbar nach dem Spiel wusste auch Cheftrainer Michael Wiesinger, was die Stunde geschlagen hatte: „So ein 0:5 ist brutal, da hast du wenig Argumente als Trainer.“

Einen Tag später folgte dann die beinahe schon logische Konsequenz: Wiesinger wurde nach einer mehrstündigen Sitzung von Vorstand und Aufsichtsrat entlassen. Die Begründung: „Nach der deutlichen 0:5-Niederlage gegen den HSV und einer sachlichen Aufarbeitung des bisherigen Saisonverlaufs sind wir in intensiven Gesprächen zu der gemeinsamen Entscheidung gelangt, diesen Schritt vollziehen zu müssen“, so Sportvorstand Martin Bader. Und weiter sagt er, vermutlich noch viel schlimmer als die hohe Klatsche und die magere Punkteausbeute: „Leider haben die letzten Spiele gezeigt, dass kein kontinuierlicher Aufwärtstrend erkennbar ist.“

Verlust von wichtigen Stützen
Dieser fehlende Aufwärtstrend hat sicher auch etwas mit dem Personal zu tun. Denn vor der laufenden Saison verließen wichtige Stützen den Verein. Abwehrstabilisator Timmy Simons war trotz seines Alters ein enorm wichtiger Faktor beim Club. Dazu ging Innenverteidiger Timm Klose mit Dieter Hecking zu den Wölfen. Insbesondere die Defensive musste also gestärkt werden. Dort verpasste es der 1. FC Nürnberg nachzulegen. Erst mit der Verpflichtung von Defensivallrounder Hasebe konnte der Club einen adäquaten Simons-Ersatz präsentieren. Dazu kam noch das Chaos um die Suspendierung von Hanno Balitsch.

Neben der verpassten Transferpolitik in der Defensive, kam Pech in der Offensiv-Abteilung dazu. Stürmer-Hoffnung Ginczek traf in der Vorbereitung nach Belieben und weckte große Hoffnungen im Frankenland. Doch dann zog sich der junge Angreifer einen Zehenbruch zu und fällt wochenlang aus. Und so verkam der Nürnberger Sturm. In acht Spielen schoss der Club erst neun Tore und stellt damit die zweitschlechteste Abwehr der gesamten Liga (gemeinsam mit vier weiteren Teams).

Der 40-jährige Ex-Trainer schaffte es nicht, seine Spieler zu formen und vom Zerstörer-Image, das man vor der laufenden Spielzeit ablegen wollte, weg zu kommen. Man wollte vor allem im Mittelfeld eher die spielerische Lösung finden. Das ging völlig nach hinten los. Nach der durchaus guten Rückrunde mit dem Club, stagnierte die Entwicklung in der laufenden Saison – bis zum Höhepunkt der 0:5-Niederlage gegen den HSV. Nach dieser Pleite zeigte sich nicht nur Wiesinger sondern auch seine Spieler ratlos: „Eine Katastrophe. Wir haben alles falsch gemacht, was man in der Bundesliga falsch machen kann. Das war unerklärlich und unfassbar“, so Nilsson. Und auch Stürmer Josip Drmic sagt: „Jetzt muss man viele Fragen stellen: Warum, wieso, weshalb. Wir wissen‘s selber nicht.“

Christian Gross soll es richten
Vielleicht war Wiesinger bei seiner ersten Trainerstation in der Bundesliga zu lieb und zu unerfahren. Wiesinger war eher der ruhige Kumpeltyp, der zwar den Club im Herzen trägt, aber vermutlich einfach zu grün war. Ganz anders sieht das Profil des neuen Trainers aus. Er soll erfahren sein. Gerne ein harter Hund. Demnach steht der Schweizer Christian Gross ganz oben auf der Liste der Nürnberger.

Nach „Sky Sport News HD“-Informationen steht einer Verpflichtung des Ex-VfB-Trainers nichts mehr im Wege, sollte dieser das Angebot des Clubs annehmen. Gross konnte vor allem in der Schweiz große Erfolge als Trainer feiern und zeigte auch während seiner Zeit zwischen 2009 und 2011 beim VfB Stuttgart, dass er eine Mannschaft, die in der Krise steckt, nach oben führen kann. Damals übernahm Gross den kriselnden VfB und führte ihn mit einem sensationellen Punkteschnitt auf Platz sechs.

Neben Gross steht aber auch Felix Magath auf der Liste der Club-Verantwortlichen. Doch offenbar scheint mit Christian Gross bereits vieles klar zu sein. Der autoritäre Schweizer soll den 1. FC Nürnberg aus der bedrohten Zone führen und den schlechten Saisonstart inklusive HSV-Debakel im Frankenland vergessen machen. Ein durchaus schwieriges Unterfangen, wenn der Club in der Winterpause nicht noch einmal auf dem Transfermarkt nachlegen kann.