Im ersten Teil des exklusiven Interviews mit Comunioblog spricht Sky-Kommentator Wolff-Christoph Fuss über die Rekordsaison der Münchner, Trainer Jupp Heynckes und unbesungene Helden.
Comunioblog: Herr Fuss, der FC Bayern ist nach der enttäuschenden letzten Saison in beeindruckender Manier zurückgekehrt. Was hat sich Ihrer Meinung nach in München verändert?
Wolff-Christoph Fuss: Alles! Für mich sind das die besten Bayern, an die ich mich erinnern kann – ohne die Generation von 2001 infrage stellen zu wollen. Die Mannschaft damals war enorm wuchtig und präsent, aber für mich sind die aktuellen Bayern auf Strecke wesentlich spielstärker und nicht ganz so pragmatisch. Es ist eine Mixtur aus gemeinschaftlichem Scheitern der Vorsaison, der guten Arbeit auf dem Transfermarkt und dem Kitzeln der Dortmunder auf nationaler Ebene. Daraus hat sich eine Gemengelage entwickelt, die sensationell ist. Es ist brutal, absolut brutal!
Comunioblog: Sie sprechen die gute Arbeit auf dem Transfermarkt an.
Fuss: Die Neuzugänge haben den Kader in Spitze und Breite verstärkt. Dass das bei den Bayern noch möglich ist, mag den ein oder anderen überrascht haben – aber es ist so. Javier Martinez scheint der richtige Mann am richtigen Ort zu sein, für mich ist er der unbesungene Held. Spieler wie Martinez ermöglichen erst das Spektakel. Dante hebt die Innenverteidigung auf ein anderes Niveau. Und wenn du dir dazu noch Xherdan Shaqiri und Mario Mandzukic anschaust – die Auswahl ist enorm. Alle scheinen davon inspiriert und der Klub profitiert.
Comunioblog: Welche Rolle spielt Trainer Jupp Heynckes?
Fuss: Heynckes ist derjenige, der das soziale Gefüge moderieren muss. Dafür braucht man ein gewisses Alter. Er weiß, was er für einen Spirit in der Truppe hat, dass da ein Ziel vor Augen ist. Ich vergleiche ihn mit Vicente del Bosque zum Anfang der Jahrtausendwende bei Real Madrid. Er hatte ein ganz leises Auftreten, obwohl er ein absoluter Kenner und Taktiker ist. Del Bosque hatte die Gabe, das Konsortium der Stars zu führen – und das kann Heynckes auch.
Comunioblog: Kommen wir zur Champions League. Mit dem FC Barcelona wartet im Halbfinale die erfolgreichste Mannschaft der letzten Jahre.
Fuss: Ich wollte dieses Spiel unbedingt haben und idealerweise nicht im Finale. In 90 Minuten passieren Dinge, die du nicht beeinflussen kannst. Über 180 Minuten hingegen kannst du nichts kaschieren. Die besten Bayern gegen die für mich, das Gegenteil ist zu beweisen, beste Mannschaft der Welt. Es wird eine ganz enge Nummer. Und München ist nicht chancenlos! Aufgrund der Vergangenheit ist Barcelona für mich aber hauchzarter Favorit.
Comunioblog: Was zeichnet Barca aus?
Fuss: Familiensinn, Nachhaltigkeit und eine klare Handschrift. Sie bringen viele Eigengewächse hervor, Barcelona hat auf über der Hälfte der Mannschaft das Copyright. Der Stil ist sowieso unübertroffen.
Comuniblog: Gibt es Parallelen zur jetzigen Bayern-Mannschaft?
Fuss: Für mich schwer zu beurteilen. Sämtliche Gewerke der Münchner geben fünf Prozent mehr, keiner ist sich für irgendetwas zu schade. Ob sie sich irgendeinem Stil angleichen? Warum nicht? Aber ich denke, die Bayern haben ihren eigenen Stil entwickelt fußend auf individueller Klasse, ihrer jüngeren Geschichte und der darauf basierenden Geilheit auf Titel.
Comunioblog: Inter und der FC Chelsea haben in der Champions League bewiesen, wie man gegen den FC Barcelona besteht. Wie müssen sich die Bayern verhalten?
Fuss: Das wird sehr interessant. Barca hat in den letzten Jahren wichtige Spiele nur verloren, wenn der Gegner, überspitzt gesagt, 25 Prozent Ballbesitz hatte. Mauern bis der Arzt kommt und vorne einen reinmachen. Das kann eine Möglichkeit sein, aber das ist nichts, was den Bayern liegt. Sie haben selber großes Interesse am Ballbesitz. Sie werden nicht darauf reagieren, wie der FC Barcelona spielt. Deshalb besteht für mich Augenhöhe.
Comunioblog: Herr Fuss, der obligatorische Tipp darf nicht fehlen. Wer geht ins Endspiel?
Fuss (lacht): Es ist verdammt schwierig. Es könnte sein, dass Bayern kein Spiel verliert, aber trotzdem ausscheidet.