Nach einer Insolvenz wollte der Wuppertaler SV in der Oberliga Niederrhein einen Neuanfang starten. Wegen angeblich gewaltbereiter Fans sollten die Auswärtsspiele des WSV aber abgesetzt werden. Jetzt die Wende. Wuppertal darf doch auswärts spielen. Irrsinn im deutschen Amateurfußball.

1972 gelang dem Wuppertaler SV der Aufstieg in die Bundesliga. Ein Jahr später schaffte es der WSV sogar, sich für den UEFA-Cup zu qualifizieren. Goldene Zeiten, die Lichtjahre entfernt erscheinen. Denn vor wenigen Monaten musste der Wuppertaler SV Insolvenz anmelden. Der Zwangsabstieg in die Oberliga Niederrhein, der fünfthöchsten deutschen Spielklasse, stand an. Der traditionsreiche Klub plante einen Neuanfang in einer Liga mit Vereinen wie TuS 64 Bösinghoven, SV Hönnepel-Niedermörmter oder dem PSV Wesel-Lackhausen.

Doch der Restart gestaltete sich schwerer als erwartet. Im Mittelpunkt: Die Fans des WSV. Denn trotz Insolvenz und Abstieg in den Amateurbereich ist die Fanbasis an der Wupper noch immer riesig. Zum ersten Heimspiel kamen über 3000 Zuschauer. Für Oberliga-Verhältnisse eine wahnsinnige Zahl. Und vor allem: Für Oberliga-Verhältnisse zu viel! Denn nur wenige Tage nach dem gelungenen Saisonstart kam die nächste Hiobsbotschaft für den krisengeschüttelten Verein. Der WSV darf aufgrund von Polizeibedenken auswärts nicht antreten.

„Die Relationen stimmen nicht“

Denn laut der Zentralen Informationsstelle Sporteinsätze (ZIS) befinden sich unter den Fans des Wuppertaler SV rund 300 gewaltbereite Personen. „Unsere Fans sind bestimmt keine Schülerlotsen, aber die Zahl 300 ist völlig aus der Luft gegriffen“, so Vorstandsmitglied Achim Weber gegenüber „Spiegel Online“. Und weiter: „Die Relationen stimmen nicht. Es kann nicht sein, dass unsere Spiele in Ratingen und Rhede in die gleiche Sicherheitskategorie eingestuft werden wie das Ostderby Rostock gegen Dresden.“ Ein Blick auf die Zahlen der ZIS zeigen, dass der 1. FC Köln und Fortuna Düsseldorf gemeinsam nicht auf 300 gewaltbereite Fans kommen.

Woher kommt dann also die offenbar aus der Luft gegriffene Zahl? Möchte man im deutschen Amateurfußball vertuschen, dass die Rahmenbedingungen auf vielen Plätzen in der fünften Liga einfach nicht haltbar sind und schiebt deswegen die angebliche Fan-Problematik der Wuppertaler in den Vorergrund? Beim WSV-Heimspiel gegen Kray, zu dem mehr als 3000 Fans kamen, sprach die Polizei im nachhinein von einem „ruhigen und friedlichen Nachmittag“. Das Auswärtsspiel-Verbot für Wuppertal brachte nicht nur bei den Verantwortlichen des Ex-Bundesligisten Unverständnis hervor. Auch einige Trainer der Ligakonkurrenz äußerte sich kritisch zum generellen Auswärtsspiel-Verbot.

Ein Lösungsansatz war sogar, dass alle Vereine ihr Heimrecht an den WSV abtreten sollten. „Dann haben wir diese Saison halt 38 Heimspiele“, sagt Weber süffisant.

Wuppertal darf nun doch auswärts spielen

Zum Ende der vergangenen Woche dann doch die Wende. Bei einem Treffen im NRW-Innenministerium kam es zu einer Einigung. Dabei sprach der Einsatzreferent im Innenministerium Düsseldorf und Vorsitzender des Nationalen Ausschusses Sport und Sicherheit, Bernd Heinen, von einem „Vertrauensvorschuss“ für die WSV-Fans. Vertrauensvorschuss, obwohl sich die Fans des jetzigen Fünftligisten im Vorfeld noch kein Fehlverhalten erlaubten.

In Wuppertal bleibt man gelassen: „Wir haben konstruktive und lösungsorientierte Gespräche geführt. Wir gehen davon aus, dass die Sicherheitsvorkehrungen bei den kommenden Spielen gegeben sein werden“, sagte Thomas Richter, Verwaltungsrat beim WSV, gegenüber dem „SID“.  Auch Heinen äußerte sich diplomatisch: „Wir wollen gemeinsam den Neustart des Wuppertaler SV unterstützen und dafür sorgen, dass in der Oberliga Niederrhein ein sicherer und geregelter Spielbetrieb mit Heim- und Auswärtsspielen möglich ist.“

Geändert hat sich im Grunde nicht viel zur Ausgangslage. Man wolle enger zusammenarbeiten mit den Verantwortlichen der Heimvereinen und der örtlichen Polizei, die eigenen Fans verstärkt zu Auswärtsfahrten begleiten und Fehlverhalten natürlich konsequent bestrafen. Insgesamt spielt der Wuppertaler SV auswärts allerdings auf Bewährung, wenn man die abschließende Aussage von Bernd Heinen liest: „Wir geben dem Wuppertaler SV und seinen Fans mit dieser Vorgehensweise einen Vertrauensvorschuss für die kommenden Auswärtsspiele gegen Rhede, Hönnepel-Niedermörmter und Wesel. Nun müssen sie beweisen, dass sie für eine verantwortungsbewusste Fankultur stehen und Gewalt und Pyrotechnik eine klare Absage erteilen.“