Man mag vom Projekt Hoffenheim halten, was man will. Doch die wohl einseitigste Paarung seit der Wiedereinführung der Relegation hat gezeigt: 1899 ist zu stark für die 2. Liga.  

3:1 und 2:1 siegten die Kraichgauer gegen den 1. FC Kaiserslautern und wohl noch nie war der Klassenunterschied in der Relegation so deutlich zu sehen wie in den beiden Süd-West-Duellen. Selbst auf dem ausverkauften Betzenberg ließ Hoffenheim bis auf eine zehnminütige Drangphase der Lauterer nichts anbrennen. Die Verteidigung um Jannik Vestergaard und David Abraham hielt hinten dicht, die spielstarke Offensive um Sejad Salihovic, Roberto Firmino oder Kevin Volland sorgte vorne immer wieder für Gefahr.

Doch vor allem eines fiel in den Begegnungen gegen die Lauterer, aber auch an den letzten Spieltagen der Bundesliga auf: Hoffenheim hat das Forechecking wiederentdeckt. Angesichts der früh attackierenden Gäste beschränkten sich die Lauterer lange Zeit nur noch auf lange Verlegenheitsbälle in die Spitze. Das offensive Mittelfeld der Roten Teufel war über weite Strecken komplett abgemeldet.

Hoffenheim-Trainer Markus Gisdol hat es seit seinem Amtsantritt am 2. April vollbracht, das unter Stanislawski, Babbel und Kurz verschüttete Talent seines Teams wieder freizuschaufeln. Geschafft hat er das durch eine nur im ersten Augenblick offensiver wirkende Taktik. Denn die enorme Laufarbeit, die schon die Offensivspieler für ihr Pressing in der gegnerischen Hälfte aufwenden, entlastet die hochgewachsene, aber junge Innenverteidigung enorm.

Unter Ralf Rangnick hat Hoffenheim diese taktische Marschroute perfektioniert und ist damit bis in die 1. Bundesliga und dort gar zur Herbstmeisterschaft gestürmt. Nach Differenzen mit Vereinsmäzen Dietmar Hopp hat Rangnick den Verein an Neujahr 2011 freiwillig verlassen. Was für den Klub folgte, war zunächst der Absturz ins graue Tabellenmittelfeld und schließlich gar in den Abstiegskampf – nicht zuletzt wegen einer völlig verkorksten Transferpolitik.

So kamen vor der abgelaufenen Saison neben dem Missverständnis des Jahres Tim Wiese auch Eren Derdiyok, Mathieu Delpierre, Patrick Ochs und im Winter Igor de Camargo. Sie alle scheiterten ebenso wie der Sieben-Millionen-Euro-Flop Ryan Babel.

Gisdol setzt nun wieder mehr auf Talente: Er hat sich auf den 20-jährigen Koen Casteels als neue Nummer eins festgelegt. In der Innenverteidigung agierten im Rückspiel gegen Kaiserslautern mit Vestergaard und in der Schlussphase Niklas Süle ein 20- und ein 17-Jähriger. In der Offensive haben die Hoffenheimer mit Kevin Volland eines der größten Sturmtalente Deutschlands in ihren Reihen. Mit sechs Toren und zwölf Vorlagen deutete der 20-Jährige in dieser Saison bereits seine Klasse an.

Gisdol, der auf Schalke Rangnicks Co-Trainer und zuvor auch in der Blütezeit Hoffenheims Trainer der zweiten Mannschaft war, gab mit den Kraichgauern das, was vor ihm schon Mirko Slomka in Hannover oder Lucien Favre in Mönchengladbach ihren damals akut abstiegsbedrohten Teams gegeben haben: Eine taktisches Korsett, das einer völlig verunsicherten Mannschaft Stabilität verlieh, an das sich die Spieler halten konnten und vor allem, in das die Spieler nach den ersten positiven Ergebnissen schnell vertrauen gefasst haben.

Für Hannover und Gladbach führte der Weg nach dem Abstiegskampf direkt in den Europapokal. Gisdols Ausbeute in seinen neun Pflichtspielen mit Hoffenheim (fünf Siege, zwei Unentschieden, zwei Niederlagen) hätte auf eine volle Saison gerechnet ebenso für einen Platz unter den ersten sechs gereicht.

Es spricht vieles dafür, dass Hoffenheim nächste Saison wenig mit dem Abstieg zu tun haben wird. Mit Gisdol scheint Hopp tatsächlich einen Trainer gefunden zu haben, der das entgleiste Projekt 1899 Hoffenheim wieder in die Spur bringen kann. Dass in der Mannschaft mehr steckt als Abstiegskampf, hat sie in den letzten beiden Monaten eindrucksvoll bewiesen.

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