Der Transfer von Arturo Vidal zum FC Bayern München ist angeblich nur noch Formsache. Und dabei wollten sie ihn nach der Absage vor vier Jahren doch nie wieder sehen! Wenn da nur nicht etwas wäre, das Vidal im Überfluss besitzt.
„Wie wäre es, wenn wir es ganz anders machten?“, fragte einst der britische Regisseur Sir Alfred Hitchcock – und verriet damit seine Methode, um auf Ideen für seine weltberühmten Thriller zu kommen: Streiche alle Konventionen! Denn die Zuschauer fasziniert vor allem das Unerwartbare.
Ob Karl-Heinz Rummenigge, Vorstandschef des FC Bayern München, wohl ein heimlicher Verehrer Hitchcocks ist? Man kann es sich zumindest vorstellen. Denn die bevorstehende Verpflichtung von Arturo Vidal steht im Widerspruch zu den eigenen Werten: Bei den Bayern erwartet man Weltklassefußballer, Musterprofis, die zudem auch noch als Vorbilder für die Jugend taugen.
Vidal gehört ohne Zweifel zur fußballerischen Weltelite. Aber ein Vorbild ist er nicht.
Ein Schurke in Lederhosen
Das gilt sowohl auf als auch neben dem Platz. „Sky“-Kommentator Wolf-Christoph Fuss scherzte mal: „Vidal kommt schon Gelb-Rot gefährdet auf den Platz.“ Youtube-Nutzer schneiden Videoclips mit seinen, nun ja, schönsten Fouls zusammen. Vereinfacht gesagt: Vidal geht dahin, wo es weh tut. In der Regel seinem Gegenspieler.
Der „Zeit“-Journalist Christian Spiller schrieb in seinem Porträt über Bayerns Neuen: „Arturo Vidal ist 28 Jahre alt, stammt aus Chile und sieht aus wie ein Apache, der ein Tattoostudio leitet.“ Im letzten Oktober brummte Juventus ihm eine Geldstrafe auf, weil er sich in einer Disko geprügelt hatte. Und während der Copa America fuhr er seinen 200.000 Euro teuren Ferrari Spyder 458 zu Schrott – mit 1,2 Promille im Blut.
Und dieser Mann soll beim nächsten Oktoberfest mit den anderen Bayern-Stars in Lederhosen und Trachtenhemd für die Kameras posieren?
Halb Europa will ihn haben
Um fair zu bleiben, müssen an dieser Stelle zwei Dinge eingeschoben werden.
Erstens, Arturo Vidal reiht sich durchaus in eine Bayern-Tradition ein. Denn mit Spielern wie Stefan Effenberg und Mark van Bommel gab es bei den Münchnern auch vor ihm schon „Mistkerle“, die in die heile Bayern-Welt nicht so recht reinpassen wollten.
Zweitens, Arturo Vidal würde nicht auf den Einkaufszetteln von zahlreichen europäischen Spitzenklubs stehen, wenn es für seinen fußballerischen Steckbrief ausreichen würde, ihn als Treter abzustempeln.
Vier Jahre Juventus, vier Mal Scudetto
Im zentralen Mittelfeld gehört Vidal zu den besten Spielern, die dieser Sport aktuell zu bieten hat. Als Box-to-Box-Player vereint er in seinem Spiel zwei wichtige Aufgaben: Den Spielaufbau der gegnerischen Mannschaft zu stören, auch durch Fouls. Und im eigenen Ballbesitz den Ball zum gegnerischen Strafraum zu transportieren, wo er dann selbst den Torschuss sucht oder für Mitspieler auflegt.
Tatsächlich nähert sich Vidal für einen Sechser erstaunlich oft dem gegnerischen Sechzehner – 35 Tore in 124 Spielen für Juventus belegen die Torgefährlichkeit des Rechtsfußes mit dem strammen Schuss.
Der „Alten Dame“ verhalf Vidal in vier Jahren zu vier Meisterschaften; in diesem Jahr war er maßgeblich daran beteiligt, dass Juventus es bis ins Finale der Champions League schaffte, wo der Verein schließlich dem FC Barcelona unterlag.
Vidal hat das, was die Bayern noch brauchen
Jetzt also die Bayern. Glaubt man den Medienberichten, sind sich beide Vereine und der Spieler über den Transfer bereits einig, einzig die Unterschrift unter dem Vertrag fehle noch.
Kommt der Wechsel zustande, bekommen die Bayern endlich den Spieler, den sie schon vor vier Jahren verpflichten wollten. Damals entschied sich Vidal in letzter Sekunde für Juventus – sehr zum Ärger der FCB-Offiziellen. Karl-Heinz Rummenigge sagte seinerzeit dem „Kicker“: „Solche Spieler möchte ich nicht beim FC Bayern haben. Er hat Jupp Heynckes x-mal versprochen, nur zu Bayern zu wechseln. Wäre er ein Mann mit Moral, wäre er heute bei uns.“
Aber wie wäre es, wenn wir es ganz anders machten? Selbst, wenn Arturo Vidal die Moral fehlen sollte, so hat er doch etwas, das die Bayern dringend benötigen: Spielerisch und taktisch ist der Fußball von Pep Guardiola vermutlich kaum mehr zu verbessern. Und Vidal soll jetzt dafür sorgen, dass es in Zukunft auch am nötigen Biss nicht mehr fehlt.