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Was für ein dramatischer, unglaublich bitterer Abend für Loris Karius am vergangenen Samstag. Dabei ist der 24-Jährige eigentlich ein Klassemann. War er jedenfalls in der Saison 2015/16. Wir erinnern daran.
Spätestens in der 83. Minute war der Abend für Loris Karius und gelaufen und vielleicht sogar die kurzfristige Karriereentwicklung: Gareth Bale, der Waliser in Diensten Real Madrids hatte aus „Hail Mary“-Entfernung einfach mal drauf gehalten und man ahnte schon im Moment der Schussabgabe irgendwie, dass dieser völlig unplatzierte Versuch mit einer nicht eben exotischen Flugbahn das Schicksal des unglücklichen FC Liverpool besiegeln würde. Liverpools deutscher Torwart Loris Karius hatte mit seinem zweiten schlimmen Klops den Deckel auf dieses Champions League-Finale drauf gemacht, das bei Weitem größte Spiel seiner noch so jungen Karriere. Ob sich Karius davon erholen wird? Es ist ihm, seinem Trainer und seinem Team zu wünschen, denn der Mann aus der Jugend des VfB Stuttgart kann es besser. Viel besser. Vielleicht hilft bei der Aufarbeitung ein Blick zurück in seine stärkste Bundesligasaison, in der Karius den FSV Mainz 05 mit Sensationsparaden und 136 Comunio-Punkten bis in die Europa League führte.
34 Spiele – 32-mal Punkte
„Konstant“ wäre untertrieben: Loris Karius sammelte 2015/16, seiner dritten und letzten Saison als Stammkeeper des FSV Mainz 05, 136 Punkte, rutschte dabei nicht einmal ins Minus und legte nur zweimal eine Nullrunde hin. Neunmal spielten die kleinen Mainzer in dieser Saison „zu null“ und durften sich folglich auch dank der Leistungen ihres Torwarts nach zwei peinlichen Ausrutschern in der EL-Quali über den direkten Einzug in die Gruppenphase freuen.
Karius – oder Mathenia?
Dabei wäre es beinahe gar nicht dazu gekommen, dass Loris Karius, der aus der Stuttgarter Jugend zunächst in den Nachwuchs von Manchester City und später dann an den Bruchweg gewechselt war, zum unumstrittenen Stammtorwart bei den Rheinhessen aufsteigen würde. Zwei Jahre kam Karius, dem man den letzten Funken Einstellung und Willen absprach, in der Mainzer Reserve zum Einsatz, bevor sich Thomas Tuchel entscheiden musste: Loris Karius oder Christian Mathenia? Beide – der heutige Liverpooler und der inzwischen zum 1.FC Nürnberg gewechselte – standen zur Disposition, als die beiden etablierten Mainzer Torleute Heinz Müller und Christian Wetklo gleichzeitig ausfühlen. Die Fans forderten den aus der eigenen Jugend stammenden Mathenia, Karius dagegen galt den Mainzern lange – vermutlich nicht völlig zu unrecht – als zu wenig ernsthafter Bewerber um einen Platz in einem Bundesligator. Tuchel jedoch traf eine andere Entscheidung – der Rest ist Mainzer Bundesligageschichte.
Der magische Elfmeterherbst
Im September und Oktober 2015 stellten sich die Mainzer im eigenen Strafraum furchtbar ungeschickt an und hatten dazu auch noch Pech mit einer hanebüchenen Schiedsrichterentscheidung: In sechs Spielen handelte man sich vier Elfmeter ein. Und auf der anderen Seite des Punktes wartete nicht eben Bundesligalaufkundschaft, um zu vollstrecken. Klaas Jan Huntelaar trat für Schalke an, der damals noch nicht entzauberte Thomas Müller für die Bayern, Sandro Wagner für Darmstadt 98 und schließlich lief auch noch Marco Reus für Borussia Dortmund an. Kurios: Alle vier scheiterten. Müller schaufelte den Ball drüber, Wagner jagte das Spielgerät in den Nachthimmel über Darmstadt, die Versuche von Huntelaar und Reus parierte Loris Karius.
Meisterstück in München
sportschau.de attestierte Loris Karius an diesem Märzabend 2016 „einen Sahnetag“, der kritische kicker vergab eine Note 2 und bei Comunio verdiente sich der Torwart acht Punkte: Der FSV Mainz 05 siegte bei den großen Bayern mit 2:1 und brachte Pep Guardiola damit die erste und einzige Heimniederlage der Saison bei – und versaute Uli Hoeneß die Heimpremiere nach seiner Haftentlassung. Getroffen habe damals natürlich andere, Loris Karius wurde vom kicker jedoch zurecht zum Mann des Spiels gekürt. „Mit starken Paraden verhinderte er den Rückstand. Loris Karius war 90 Minuten lang ein sicherer Rückhalt und beim 1:1 chancenlos.“ Ein Eckenverhältnis von 11:0 zugunsten der Gastgeber illustriert gut, dass der Mainzer Schlussmann einen spannenden Abend hinter sich gebracht hatte. Vielleicht erinnert er sich in diesen Tagen mal ab und zu daran. Denn Karius ist ein Klassemann!