Welche Folgen hat die Verpflichtung von Chicharito für die Spielausrichtung der Werkself? Und was bedeutet der Transfer für die Stammplatz-Ambitionen des restlichen Leverkusener Offensivpersonals? Wir nennen mögliche Entwicklungen.
Der mexikanische Angreifer Javier Hernandez, der schon für die Weltklubs Manchester United und Real Madrid auf Torejagd gegangen war, wechselte wenige Tage vor dem Ende der Transferperiode ins beschauliche Leverkusen. Ein wahrer Transferkracher, mit dem wohl nur die Wenigsten gerechnet hatten – allen voran Bayer-Trainer Roger Schmidt. „Es war alles ein bisschen unwahrscheinlich, aber unser Einsatz hat sich am Ende gelohnt“, sagte der sichtlich zufriedene Cheftrainer auf der Vorstellungs-Pressekonferenz vergangene Woche.
Große Variabilität
Dass der Bayer-Coach nach der Verpflichtung des Mexikaners die Spielausrichtung seiner Mannschaft verändern oder an die Fähigkeiten seiner neuen Offensivkraft anpassen wird, kann ausgeschlossen werden. Bayer wird auch weiterhin den aggressiven, laufintensiven und vorwärtsverteidigenden Spielstil pflegen, für den es seit der Inthronisierung von Roger Schmidt vor mehr als einem Jahr bekannt ist.
Zudem bringt Chicharito mit seiner Schnelligkeit und starken Technik wichtige Grundvoraussetzungen für das Leverkusener Spiel mit. Zwar dürfte die Kommunikation auf dem Platz in den ersten Wochen noch eine Herausforderung darstellen, doch Chicharitos herausragende fußballerische Anlagen sollten den Integrationsprozess beschleunigen können.
Der Mexikaner wird die Qualität der ohnehin schon stark besetzten Leverkusener Offensivabteilung noch einmal deutlich erhöhen. Zudem bieten sich Roger Schmidt in vorderster Front nun verschiedenste Möglichkeiten. In Bayers 4-2-2-2-System könnte Chicharito statt Publikumsliebling Stefan Kießling auflaufen – eine Möglichkeit von der Schmidt in Anbetracht der vielen englischen Wochen sicherlich das eine oder andere Mal Gebrauch machen wird.
Wo spielt Calhanoglu?
Die zweite Variante: Bayers Neuzugang könnte als leicht zurückfallende zweite Spitze zusammen mit Kießling in vorderster Front agieren. Für diesen Fall würde Edeltechniker Hakan Calhanoglu wohl auf eine der beiden zentralen Mittelfeldpositionen zurückversetzt werden. Gerade gegen defensivstarke Gegner ist dies eine vielversprechende Variante.
Als offensiver Part von zwei Sechsern hätte Calhanoglu das Spiel mehr vor sich und könnte dem Bayer-Spiel so noch mehr Struktur und Kreativität verleihen. Für den Türken müssten dann entweder Kapitän Lars Bender oder Christoph Kramer weichen – zwei Spieler, die ihre Stärken eher in der Balleroberung als im Kreieren von gefährlichen Offensivaktionen haben.
Dass Calhanoglu selbst einmal auf der Bank sitzen wird, ist aufgrund der Dreifachbelastung zwar nicht auszuschließen, im Normalfall aber eher unwahrscheinlich. Nicht zuletzt seine gefürchteten Freistöße stellen eine Waffe dar, auf die Roger Schmidt wohl nur ungern verzichten wird. Zur Not könnte Calhanoglu auch eine der beiden Außenbahnpositionen besetzten.
Nutznießer Brandt?
Doch auch hier ist das Gedränge groß – insbesondere nach der Rückkehr von Kevin Kampl unters Bayer-Kreuz. Der Transfer des 24-Jährigen ging durch die Chicharito-Verpflichtung fast ein wenig unter, ist aber nicht weniger bedeutend für die Leverkusener Offensiv-Planspiele.
Nach dem überraschenden, für Bayer aber höchst lukrativen Abgang von Heung-Min Son, stellt sich die Frage, wer in Zukunft die linke Außenbahn als sein Revier bezeichnen darf. Kampl, der Roger Schmidt aus gemeinsamen Salzburger Zeiten bestens kennt, besitzt zweifelsohne gute Anlagen, konnte diese in seinem halben Jahr beim BVB aber kaum gewinnbringend einsetzen. Ob sich das in Leverkusen ändert, wird sich erst zeigen müssen.
Das wiederum könnte die Chance für Youngster Julian Brandt sein, sich endlich als Stammkraft zu beweisen. Bayers Edeljoker besitzt großes Potenzial, seine Leistungen waren – angesichts seines jungen Alters kaum verwunderlich – bislang aber noch zu inkonstant. Darüber hinaus darf Admir Mehmedi, der auch als einer von zwei Stürmern auflaufen kann, nicht vergessen werden.
Fazit: Eine klare Bayer-Stammelf wird es wohl nicht geben, dafür eröffnet der diesjährige Leverkusener Königstransfer zu viele Variationsmöglichkeiten im Offensivbereich. Klar ist: Akklimatisiert sich Chicharito schnell und ruft er sein enormes Potenzial ab, dürfte er in Bayers Offensivreihe eine zentrale Rolle einnehmen. Das wiederum hätte insbesondere für Stefan Kießling Konsequenzen.
Bayers Kämpferherz wird wohl häufiger als zuletzt auf der Bank Platz nehmen müssen, was angesichts der Dreifachbelastung und seines fortgeschrittenen Alters aber kein Nachteil sein muss. Zudem dürfte Hakan Calhanoglu häufiger auf einer der beiden zentralen Mittelfeldpositionen zum Einsatz kommen.
Das würde zum Einen das Duo Bender-Kramer entlasten und zum anderen einen Zuwachs an Kreativität in der Zentrale bedeuten, was gerade gegen tiefstehende Gegner von großem Vorteil sein kann. Während Karim Bellarabi auf der rechten Seite gesetzt ist, zeichnet sich auf der linken Seite ein interessanter Dreikampf zwischen Julian Brandt, Kevin Kampl und Admir Mehmedi ab. Das alles zeigt: Bayers Offensive ist so variabel und wenig ausrechenbar wie nie zuvor.