Bale und Robben ausgeschaltet: Dortmunds Aushilfs-Linksverteidiger Erik Durm hat sich innerhalb weniger Tage zum ernsthaften WM-Kandidaten gemausert. Wie groß ist seine Chance auf Brasilien?

Geht es nach Lothar Matthäus, fährt der 21-jährige mit: „Er hat mit Bale und Robben zwei Weltklasse-Spieler ausgeschaltet. Das spricht für seine große Qualität.“ Zudem attestiert der Sky-Experte Durm eine „große spielerische Qualität“ und mehr Schnelligkeit als seinem Teamkollegen Marcel Schmelzer.

Das Bild, das Umfragen und Kommentare auf diversen Sportseiten und in sozialen Netzwerken ergeben, ist deutlich: Eine klare Mehrheit will den Youngster im Sommer in Brasilien sehen – am besten sogar in der Startelf gegen Portugal. Was spricht für, was gegen eine Nominierung?

Pluspunkt: Schwache Konkurrenz

Die Euphorie in Fankreisen kommt vor allem daher, dass die Position des linken Verteidigers für viele die größte Baustelle der Nationalmannschaft ist. Bei der WM 2010 startete Holger Badstuber links hinten, ehe er nach einem schwachen Spiel gegen Serbien durch Jerome Boateng ersetzt wurde – beide gelernte Innenverteidiger. Zwei Jahre später übernahm Philipp Lahm diese Position.

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Aber der Kapitän wird in Brasilien auch auf zwei anderen Positionen benötigt: im zentralen Mittelfeld und in der rechten Verteidigung. Dass er erneut auf die linke Seite ausweicht, ist unwahrscheinlich – ebenso, dass Boateng dies wie vor vier Jahren macht. Somit bleiben Durm nur zwei ernsthafte Konkurrenten: Marcel Schmelzer und der Hamburger Marcell Jansen.

In den letzten Länderspielen wechselte Joachim Löw immer wieder zwischen Schmelzer und Jansen durch, überzeugen konnte keiner der beiden. Ein Blick auf die Comunio-Statistiken offenbart folgendes: während Jansen bei 1,53 Punkten pro Spiel steht, kommt Schmelzer auf 2,54 Zähler pro Partie – Durm steht bei 2,8 und hat damit den höchsten Wert, wenngleich keinen vollkommen überzeugenden.

Doch der Trend ist Durms Freund: 22 seiner 42 Punkte kamen in den letzten fünf Liga-Spielen dazu. Einzig gegen den VfB und dessen wirbelnden Rechtsaußen Ibrahima Traoré sah Dortmunds Nummer 37 nicht gut aus. Löw betont zudem, dass er nur Spieler mitnehmen will, die topfit sind – eine Ausnahme gibt es höchstens für Sami Khedira. Ein weiterer Punkt, der für Durm und gegen die derzeit verletzten Schmelzer und Jansen spricht.

durmcomstats

Reicht Durms Qualität aus?

Natürlich sehen nicht alle in Durm den großen Heilsbringer für die Nationalmannschaft. „Wer Durm über die ganze Spielzeit beobachtet hat, darf niemals zur Schlussfolgerung kommen, dass er zur WM müsse“, gibt Comunio-User Kehl05 im Vereinsforum des BVB Gegenwehr. Tatsächlich hat der junge Mann, der erst letztes Jahr vom Offensivspieler zum Linksverteidiger umgeschult wurde, in dieser Saison nicht nur Top-Leistungen gezeigt.

So kann man auch nicht behaupten, Durm habe Bale über beide Spiele im Griff gehabt. Seine Leistung im Rückspiel war zwar großartig, doch bei der Partie in Madrid hatte er mit dem Waliser große Probleme (Note 5, -8 Punkte bei Comunio CL). Auch in der Hinrunde waren ein paar schwächere Spiele dabei. Ganz ohne Bauchschmerzen könnte man auch Durm nicht aufstellen.

Einige bemängeln, dem 21-jährigen fehle die Erfahrung. Dem stehen immerhin fünf Champions-League-Einsätze über 90 Minuten sowie zwei Einwechslungen entgegen. Gegen Marseille und Neapel zeigte Durm ansprechende Leistungen. Im Vergleich: Marcell Jansen hat zwar 28-mal in der Europa League gespielt, aber noch nicht eine Minute in der Königsklasse – bei seinem Jahr in München spielte der Rekordmeister im UEFA-Cup. Dafür hat Jansen 45 Länderspiele hinter sich.

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Fazit

BVB-Trainer Jürgen Klopp ist von der Qualität seines Schützlings überzeugt. Er nennt Durm „bärenstark“, will seine Nominierung allerdings nicht „durch eine Aussage befeuern“. Es wundere ihn jedoch nicht, dass man sich bei der rasanten Entwicklung des Talents über Weiteres Gedanken macht. Während Durm in der Hinrunde noch ein solider Ersatz für Schmelzer war, hat er sich in den letzten Wochen zum ernsthaften Konkurrenten entwickelt.

Ob Durm, der 2012 aus der Mainzer Jugend nach Dortmund kam, schon bereit für die Nationalmannschaft ist, kann man erst dann eindeutig sagen, wenn er eine Chance erhalten hat. Die Eindrücke aus den letzten Wochen sprechen klar dafür, dass Erik Durm noch vor der WM eine Chance verdient hat – zum Beispiel im erweiterten Kader. Dann könnte Joachim Löw den Youngster selbst testen und immer noch entscheiden, ob die WM zu früh kommt oder nicht.