Nach acht Niederlagen aus den letzten neun Spielen wurde Gertjan Verbeek als Trainer des 1. FC Nürnberg entlassen. Doch an der Misere ist nicht der Trainer schuld. Ein Kommentar.

In Frankfurt könnte man heute hellhörig werden. Mit Gertjan Verbeek wurde ein Trainer entlassen, der im Herbst nur wenige Wochen benötigte, um einer verunsicherten Truppe ansehnlichen Offensivfußball beizubringen. Bei der Eintracht hätte der Niederländer gute Voraussetzung für die Umsetzung seiner Philosophie.

Dass der 51-jährige nicht mehr Club-Coach ist, stößt bei den meisten FCN-Fans auf großen Unmut. „Verbeek raus“ hatte man nicht einmal im Stadion gehört, die Meinungen über den autoritären Trainer gingen kaum auseinander. Trotz der Niederlagen-Serie zuletzt war man begeistert davon, einen solchen Trainer in Nürnberg zu haben.

Verbeek brachte endlich Offensivfußball

Die Anfangszeit des niederländischen Trainers verlief zwar unglücklich, aber vielversprechend: Trotz Niederlagen war der 1. FC Nürnberg in den Hinrundenspielen gegen den SC Freiburg und Borussia Mönchengladbach klar überlegen, zeigte starkes Pressing und ein gutes Kombinationsspiel. Nach der destruktiven Spielweise der letzten Jahre ein Augenschmaus für die Club-Fans.

Allerdings konnte auch Verbeek die sieglose Hinrunde nicht verhinden – was jedoch mehr daran lag, dass der Club einfach die Seuche hatte. 15 Alu-Treffer in den ersten 17 Spielen! Dazu kam das Spiel in Hannover, in dem man mit 3:0 führte, ehe ein klarer Abseitstreffer zum 3:2 und der Last-Minute-Ausgleich den Sieg verhinderten.

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Doch nach der Winterpause spielte der Club genauso weiter, wie er die Hinrunde abgeschlossen hatte: Mutig nach vorne. Auf diese Weise bezwang man Hoffenheim mit 4:0, auch in Berlin wurde gewonnen. Gegen den FC Bayern begann man ebenfalls richtig stark – bis zum endgültigen Wendepunkt der Saison.

Das Hauptproblem: Verletzungspech

Mit Daniel Ginczek und Timothy Chandler brachen am 20. Spieltag zwei unersetzbare Leistungsträger für Monate weg. Mit Makoto Hasebe fehlt ein weiterer erfahrener Stammspieler die komplette Rückrunde. Zu diesem Zeitpunkt war auch Emmanuel Pogatetz wochenlang verletzt.

Vier Stammspieler fehlten Verbeek somit zur Umsetzung seiner Philosophie, doch in Augsburg und gegen Braunschweig konnten sich die Franken weitere Siege erkämpfen. Danach war Schicht im Schacht: Nachdem sich auch noch Abwehrchef Per Nilsson schwer verletzte, war der Club zu stark dezimiert.

Weitere Ausfälle folgten: Ondrej Petrak wurde von Joselu mit dem Ellenbogen das Nasenbein zertrümmert, Pogatetz und Stark fehlten aufgrund fragwürdiger Sperren, auch Pinola, Feulner und Campana fielen zwischenzeitlich aus. Nur Schalke und Dortmund haben ein ähnliches Verletzungspech, aber ein Verein wie der 1. FC Nürnberg kann derartige Ausfälle nicht so einfach kompensieren.

Kann man Verbeek vorwerfen, dass er seine Philosophie nicht an die verfügbaren Spieler angepasst hat? Schwierig. Dass Angha, Stark, Balitsch oder Pekhart einfach (teilweise noch) nicht Bundesliga-Niveau haben, ist nicht die Schuld des Trainers. Auch die Kaderzusammenstellung kann man ihm nicht ankreiden: Im Winter wurden zwei sinnvolle Ergänzungen geholt, mehr war nicht drin. Dass so viele Spieler ausfallen, konnte man nicht vorhersehen.

Warum die Entlassung ein Fehler ist

Gertjan Verbeek ist weder am Verletzungspech noch an den 24 Aluminium-Treffern schuld. Der Trainer ist keineswegs der Grund für die tabellarische Misere des FCN, doch Manager Martin Bader braucht ein Bauernopfer, um noch irgendwie Impulse setzen zu können. Noch im März hatte Bader Verbeek als „Glücksfall“ bezeichnet. Klare Linie, klare Philosophie – mit den Aussagen im März lag der Manager richtig.

Gertjan Verbeek: Felix Magath 2.0 für den Club

Ein niederländischer Felix Magath soll den 1. FC Nürnberg aus der Krise führen. Gertjan Verbeek gilt aus kautziger Trainer, der aus seinen Teams aber immer das Maximum herausholen kann.

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Die Reaktion jetzt ist allerdings ein fataler Irrweg. Auch das Interimscoach-Duo Roger Prinzen und Marek Mintal kann die zahlreichen Verletzten nicht heilen. Der dezimierten Truppe fehlt schlichtweg die Qualität, um Bundesliga-Spiele zu gewinnen. Nun man auch noch die Qualität auf der Trainerbank reduziert.

Die meisten Nürnberg-Anhänger wären gerne mit Verbeek in die 2. Liga gegangen. Mit einigen Rückkehrern und jungen Neuzugängen wie Evseev sowie der offensiven Spielweise des Kult-Trainers hätte man im Unterhaus einen Durchmarsch zurück in Liga 1 machen können.Viele halten Verbeek für den besten FCN-Trainer seit Hans Meyer – einen wie ihn findet man so schnell nicht wieder.

Vielleicht hätte der Club den Umweg Unterhaus in Kauf nehmen müssen, um mit Verbeek einen langfristig erfolgreichen Weg einzuschlagen. Doch Martin Bader wollte diesen Umweg nicht in Kauf nehmen, obwohl er vor wenigen Wochen noch meinte, er könne sich einen Abstieg mit Verbeek vorstellen.

Natürlich ist der Klassenerhalt das primäre Ziel, und wenn Prinzen und Mintal dieses wider Erwarten noch erreichen, hat das Management alles richtig gemacht. Allein mir fehlt der Glaube.