Panamas Trainer Hernán Darío Gómez: Viele Probleme für den Außenseiter

Foto: © imago /Agencia EFE
Juan G. Arango steht vor seiner dritten Weltmeisterschaft als Journalist, er ist Korrespondent für u.a. die BBC und berichtet über den CONCACAF-Fußball für goal.com, Al-Jazeera, die New York Times und aktuell für Beyond The Pitch. Uns verrät er, was wir vom großen Unbekannten dieser Weltmeisterschaft erwarten dürfen: Panama!

Comunio: Señor Arango, unter den qualifizierten CONCACAF-Nationen, stellt Panama sicher den unbekanntesten Kader, keiner der Spieler spielt in einer der großen europäischen Ligen. Wie hat dieses Team es geschafft, eine etablierte Nation wie die USA auszuschalten?

Juan G. Arango: Nun, Panama hat die USA nicht ausgeschaltet. Es gibt eine andere Mannschaft, die die USA ausgeschaltet hat: Die USA selbst, die vor allem an ihrer Auswärtsschwäche gescheitert sind. Wenn du auswärts nur zwei von 15 Punkten holst und dann auch noch zwei Heimspiele verlierst, ist dein Schicksal einfach besiegelt. Und wenn wir uns das letzte Spiel anschauen, dann könnten wir ein ganzes Buch damit füllen, was sie alles falsch gemacht haben. Sie gingen überheblich ins Match, haben sich sehr arrogant präsentiert und dachten, sie könnten die zweite Mannschaft ins Spiel schicken und würden trotzdem den Punkt holen, den sie für die Qualifikation benötigten.

Comunio: Ist das die Stärke Panamas, der Fokus?

Arango: Panama hatte überraschend Schwierigkeiten zuhause, hat dort nur zweimal gewonnen. Was die Mannschaft aber ausgezeichnet hat war, dass sie voll da waren, als es darauf ankam: Gegen Trinidad & Tobago und dann im letzten Spiel gegen Costa Rica. Und wenn du dir speziell dieses letzte Match anschaust, dann siehst du, wie man ein solches Spiel bestreiten muss. Am Ende des Tages haben sie es geschafft, in den wichtigen Spielen zu liefern – und die USA eben nicht.

Comunio: Was für ein Typ ist Trainer Hernán Darío Gómez? Was sind seine Ziele für diese Weltmeisterschaft, seine dritte?

Arango: Hernán Darío Gómez sagt, dass man zur Weltmeisterschaft fährt, um zu lernen. Das ist nichts, was die Menschen gerne hören. Er ist überhaupt ein sehr offener Typ, der sich nicht allzuviele Gedanken darüber macht, wie seine Worte ankommen. Er hat starke Überzeugungen und vertritt sie auch. Will er ins Achtelfinale einziehen? Natürlich will er das! Aber er hat einfach nicht das Team, er hat nicht die Waffen, um Mannschaften wie England oder Belgien hinter sich zu lassen.

WM-Vorschau Panama: Mehr als ein Außenseiter?
Der Trainer und sein Anführer: Panamas Hernán Darió Gómez und Roman Torres

Eine dramatisch überalterte Truppe und das völlige Fehlen von internationaler Erfahrung auf höchstem Niveau. Panama ist der größtmögliche Außenseiter - oder?

weiterlesen...

Comunio: Was dürfen wir von Panama auf dem Feld erwarten? Kevin Kuranyi versprach viel Herz und Emotionen.

Arango: Hernán Darío Gómez ist ein eher taktisch geprägter Trainer, entsprechend tritt auch seine Mannschaft eigentlich auf. Natürlich bringt Team Panama eine Menge Herz und Emotionen mit, aber das kann auch ganz schnell nach hinten los gehen. Wenn es gut läuft, kann Panama für Probleme sorgen, wenn es jedoch nicht läuft, kann sich das Team auch selbst vor Probleme stellen. (lacht) Die Mannschaft ist mental nicht die stärkste.

Comunio: Anibal Godoy, Blaz Peres, Armando Cooper, Román Torres. Es gibt einige Spieler, die in der Qualifikation viel zum Einsatz gekommen sind. Wer sind die Stützen dieses Teams und was zeichnet sie aus?

Arango: Jeder, mit dem du über Panama sprichst, wird Román Torres erwähnen, den Innenverteidiger der Seattle Sounders. Er ist der Anführer dieses Teams, er ist das Herz und die Seele. Er macht die Tore, er verteidigt. Dazu gibt es Spieler wie Armando Cooper, Gabriel Gomez, Anibal Godoy oder Blaz Peres, die Chancen kreieren können. Die große Frage für Panama ist: Können sie auch gegen Teams wie England oder Belgien treffen?

Comunio: Auf welche Spieler sollten europäische Fußballfans besonders achten, wer könnte eine Rolle in einer der europäischen Ligen spielen?

Arango: Das ist eine schwere Frage. Ich schaue gerade auf den vorläufigen Kader und tue mich ehrlich gesagt sehr schwer damit, dir jemanden zu nennen, von dem ich mir erwarte, dass er besonders auf sich aufmachen wird. Sie sind alle als Team so abhängig von einander. Gabriel Gomez ist im Sturm in der Lage, gute Momente zu kreieren, dazu kannst du auch Blaz Peres im Auge behalten. Am Ende steht aber immer wieder Román Torres, er ist das Gesicht des Fußballs in Panama.

Comunio: Was ist mit den anderen Stützen des Teams? Wird niemand die Weltmeisterschaft als Sprungbrett nutzen können?

Arango: Alleine ein Blick auf das Alter der Spieler zeigt dir das Problem dieser Mannschaft: Román Torres ist 32, wird bald 33. Jaime Penedo ist 36, Felipe Baloy ist 37, Gabriel Gomez ist beinahe 34, Blaz Peres ist 37 und Luis Tejada, der wahrscheinlich mit Peres das Sturmduo stellen wird, ist 36. Diese Spieler sind die Stützen des Teams und das schon seit zwei, drei Weltmeisterschaftszyklen. Diese Jungs stehen allesamt vor ihrem Karriereende.

Comunio: Hernán Darío Gómez sagte kürzlich in einem Interview, dass er Probleme bei der Fitness seiner Spieler sehe. Wie kann das sein? Und ist das das Hauptproblem Panamas?

Arango: Ja, der Trainer macht sich wirklich Sorgen um die Fitness einiger seiner Spieler. Es gibt mehrere Spieler, die in ihren Ligen nicht zum Einsatz kommen, dazu sind einige Spieler im Aufgebot, die noch in Panama spielen. Die panamaische Liga hat Potenzial, es wird aber in vielerlei Hinsicht noch amateurhaft gearbeitet, die Spieler sind oft nicht richtig austrainiert und es fehlt bisweilen an der nötigen Disziplin. Andere Nationalmannschaften sind da natürlich anders in Form. Hernán Darío Gómez weiß natürlich, dass er mit einem Team, das physisch nicht auf der Höhe ist, große Schwierigkeiten bekommen wird bei dieser Weltmeisterschaft.

Comunio: Das ist aber nur eines der Probleme Panamas?

Arango: Ja, das ist nur eines der großen Probleme Panamas. Denn obwohl man der Debütant ist, obwohl man im Juni das erste WM-Spiel Panamas überhaupt bestreiten wird, ist die Mannschaft die älteste in Russland. Das Durschnittsalter – ich wiederhole: das Durchschnittsalter – der Mannschaft liegt bei über 30, wir erleben schon das Ende einer panamaischen Fußballgeneration.

Alle WM-Vorschauen und Interviews im Überblick
Comunio2018 - das Fußball-Managerspiel zur WM 2018 in Russland

Comunioblog liefert zu jedem WM-Teilnehmer eine Vorschau. Zudem gibt es viele Interviews mit Spielern, Trainern, Experten und Journalisten. Damit Ihr den Überblick bewahrt, findet Ihr hier alles kompakt und übersichtlich.

weiterlesen...

Comunio: Was sind die Hoffnungen der Panamaischen Fans und der Medien rund um den Auftritt ihres Teams in Russland?

Arango: Bei den Fans sind die Erwartungen sehr, sehr niedrig. Sie hoffen, dass ihre Mannschaft sich konkurrenzfähig präsentiert und sind einfach begeistert, endlich mal dabei zu sein. Wenn dann auch noch irgendetwas Positives passiert, was auch immer das sein mag, wird sie das sehr, sehr glücklich machen. Man muss auch sagen, dass Panama noch keine Fußballnation ist. Es entwickelt sich eine Fußballkultur, du kannst beobachten, wie viele Basketballcourts nach und nach in Futsalplätze umgerüstet werden, aber es ist noch ein langer Weg. Die Liga muss wachsen, die Liga braucht mehr Investoren, es muss mehr in die Liga investiert werden. Es müssen mehr Räder ineinander greifen. Solange das nicht passiert, wird es immer schwierig sein, gut ausgebildete Spieler zu entwickeln.

Comunio: Hernán Darío Gómez weiß das?

Arango: Hernan Dario Gomez weiß das. Es gab jetzt eine Generation, die etwas geschafft hat, das noch keine Generation vor ihr geschafft hat. Aber wenn das System nicht zur Verfügung steht, wenn der Unterbau fehlt, das die Entwicklung am Laufen halten kann, dann wird das eine einmalige Sache bleiben. Es ist ein großes Fragezeichen, wie Panama seine jungen Spieler entwickelt, wie sie in die Nationalmannschaft integriert werden und wie sie dann dort in der Zukunft Verantwortung übernehmen können.

Comunio: Wie geht es nach der Weltmeisterschaft weiter für den panamaischen Fußball?

Arango: Das ist eine schwere Frage, es ist noch nicht absehbar, welche Entwicklung einsetzen wird, wer aus den U20- oder U17-Nationalteams nachkommt. 

Comunio: Wie ist die Stimmung in den Medien?

Arango: In den Medien gibt es die Überzeugung, dass Panama mit allem, was zur Verfügung steht, um einen Platz in der K.O.-Runde kämpfen sollte. Und natürlich sollte es das, dafür fährt man natürlich zu einer WM und natürlich sieht Hérnan Darío Gómez das genauso. Wenn er aber sagt, dass man nach Russland fährt, um zu lernen, hört es sich für die Medien dort an, als fahre man nur hin, um da zu sein. Es gibt hier ein Missverhältnis zwischen dem, was der Trainer erklären möchte und dem, was die Leute – gerade in den Medien – verstehen. Auf ESPN sagte er kürzlich, wie amateurhaft die heimische Presse noch ist, wenn es darum geht, das Spiel richtig zu verstehen. Das hat natürlich für Furore gesorgt.

Comunio: Nach all dem, was wir jetzt wissen: Gibt es irgendeine Chance für Panama zu überraschen und doch ins Achtelfinale einzuziehen?

Arango: Nein, es gibt absolut keine Chance, dass Panama die Gruppenphase übersteht.

Noch nicht angemeldet? Hier geht’s zu Comunio2018!