Gladbach hat sich zu einem Spitzenteam der Bundesliga gemausert – nun wartet das Abenteuer Champions League. Wie steckt die Borussia den Spagat weg? Und: Reichen die getätigten Transfers aus? Die Saisonvorschau.
Situation: Die Borussia aus Dortmund dient vielen Vereinen als Blaupause. Aus einem Morast an Schulden und fehlender Perspektive befreite sich der prestigeträchtige Klub Anfang des Jahrtausends aus dem Klammergriff der drohenden Insolvenz, wahrscheinlich sogar der Bedeutungslosigkeit. Die Konsequenz: Die Rückkehr auf die große Bühne des Fußballs.
Die andere Borussia hat einen ähnlichen Weg hinter sich. Noch 2011 stand Gladbach kurz vor dem Abstieg in die 2. Bundesliga. Der Verein drohte innerhalb von nur vier Jahren das zweite Mal den bitteren Gang in den Fahrstuhl antreten zu müssen. In letzter Sekunde gelang die Rettung; seitdem haben die Fohlen einen bemerkenswerten Entwicklung hinter sich.
Königsklasse – nach 38 Jahren
Die vorläufige Krönung: Die direkte Qualifikation zur Champions League in der letzten Saison – und damit verbunden die Rückkehr auf die große Bühne. Nach fast 40 Jahren.
In und um den Klub herrscht im Vorfeld des Abenteuers eine angenehme Mischung aus Realismus und Euphorie. Die Königsklasse und die damit verbundene Belastung sehen die Verantwortlichen als Geschenk. Wunderschön verpackt, mit Geldscheinen verziert. Doch was ist in dem Geschenk?
Eine nächste magische Spielzeit mit tollen Nächten bei den größten Klubs Europas? Oder vielmehr eine schwierige Bundesligasaison, die die Borussia aufgrund der Champions League in die Knie zwingt? Der Traum könnte sich zum Hindernis entwickeln.
Saisonvorschau Bayer Leverkusen: Der nächste Schritt?
Sinnvolle Verstärkungen
Coach Lucien Favre hält kritischen Stimmen entgegen, dass die Borussia durch die Erfahrungen in der Europa League wisse, wie die Dreifachbelastung weggesteckt werden könne. Unrecht hat er nicht: Vor allem durch immer wieder praktizierte Rotation gelang es ihm und seiner Mannschaft, auf allen Hochzeiten eine sehr gute Rolle zu spielen.
Richtig ist aber auch, dass er mit Max Kruse und Christoph Kramer Nationalspieler zur Verfügung hatte. Gladbach schloss die Lücken mit Josip Drmic und Lars Stindl. Sinnvolle Verstärkungen, doch wie schnell gewöhnen sich die beiden Königstranfers des Sommers an das anspruchsvolle System Favres?
Investition in die Zukunft
Zudem investierte der Verein in diesem Sommer vor allem in die Zukunft. Der 19 Jahre alte Andreas Christensen wurde vom FC Chelsea für zwei Jahre ausgeliehen, mit dem 18-Jährigen Nico Elvedi vom FC Zürich ein weiteres vielversprechendes Talent verpflichtet.
Hinzu kommen die Perspektivspieler Djibril Sow und Mandela Egbo, die über die zweite Mannschaft an die Profis herangeführt werden sollen.
Auch „wilderte“ Favre in der eigenen Jugend: Marvin Schulz sowie Mahmoud Dahoud hinterließen in der Vorbereitung einen positiven Eindruck. Viele Einsätze nicht ausgeschlossen.
Und was geht aus Comunio-Sicht? Favre wird vor allem in der ersten Halbserie viel rotieren, Manager können deshalb des Öfteren falsch liegen. Die Rotation ermöglicht aber auch Chancen: Junge und vergleichweise preiswerte Spieler werden ihre Chance bekommen.
Es besteht die Möglichkeit, echte Glücksgriffe zu tätigen – und vielleicht nach Jahren in der Bedeutungslosigkeit die eigene Comunio-Liga auf den Kopf zu stellen. Ähnlich, wie es Gladbach gemacht hat.
Player to watch: Lars Stindl. Der Neuzugang von Hannover 96 könnte sich als echter Steal erweisen. Im Zentrum ist der 26-Jährige flexibel einsetzbar: Er verbindet eine gesunde Portion Aggressivität mit Spielintelligenz; zudem weiß Stindl, wo das Tor steht. Er fungiert gewissermaßen als Hybrid der beiden Abgänge Kruse und Kramer.
Stindl steht in Anbetracht der Champions League vor dem vielleicht sogar entscheidenden Schritt seiner Entwicklung: Nicht unwahrscheinlich, dass Bundestrainer Joachim Löw seinen Werdegang bereits aufmerksam verfolgt.
Comunio Manager sind auf jeden Fall überzeugt von ihm – nach den 130 Punkten in der letzten Saison liegt sein Marktwert momentan bei rund 8 Millionen Euro. Lohnenswert?
Youngster to watch: Andreas Christensen. Gladbach = kleine Zweigstelle des FC Chelsea? Es könnte der Verdacht aufkommen. Nach Thorgan Hazard wird die Borussia in den kommenden zwei Jahren die Ausbildung von Andreas Christensen übernehmen.
Bei den Blues kam der dänische Innenverteidiger auf nur wenige Minuten; in Gladbach winkt vielleicht sogar ein Stammplatz. In der 1. Runde des DFB-Pokals gegen den 1. FC St. Pauli stand der 19-Jährige von Beginn an auf dem Platz.
Vor dem Hintergrund der Dreifachbelastung und der Favrischen Rotation sollten Comunios Manager überlegen, ob eine Verpflichtung nicht Sinn machen könnte: 3,3 Millionen Euro. Zu viel für einen Youngster oder gut investiertes Geld?
Prognose: Gladbach spielt in der Champions League. Erstmals seit der Saison 1977/78 duelliert sich die Borussia mit den besten Klubs des Kontinents. Der direkte Quali war die logische Konsequenz der tollen Arbeit der letzten Jahre.
Doch schlummert in den europäischen Nächten der kommenden Wochen und Monate der Keim für Probleme in der Bundesliga? Gelingt der Spagat zwischen Spielen bei Schwergewichten des Weltfußballs und dem doch etwas graueren Alltag in Darmstadt oder Ingolstadt? Was wir bereits jetzt wissen: Gladbach verfügt über einen sehr breiten und ausgeglichen Kader; Favre nutzt diesen Umstand oft gnadenlos aus.
Dennoch wird es die Borussia schwer haben, den dritten Platz der Vorsaison zu wiederholen, alleine schon aus dem Grund, dass Borussia Dortmund mit höchsten Tempo zurück in die Spitze drängt. Wolfsburg, Gelsenkirchen und Leverkusen wollen ebenfalls ein Wörtchen um die Champions League mitreden. Würde Gladbach es schaffen, sich zwischen Rang sechs und vier einzuordnen, wäre das ein großer Erfolg – und die Bestätigung der Entwicklung.
Transferaktivitäten
Zugänge: Andreas Christensen (FC Chelsea, Leihe), Djibril Sow (FC Zürich), Nico Elvedi (FC Zürich), Mandela Egbo (Crystal Palace), Josip Drmic (Bayer 04 Leverkusen), Thorgan Hazard (FC Chelsea), Lars Stindl (Hannover 96), Tobias Sippel (1. FC Kaiserslautern)
Abgänge: Peniel Mlapa (VfL Bochum), Amin Younes (Ajax Amsterdam), Janis Blaswich (Dynamo Dresden, Leihe), Nico Brandenburger (FC Luzern, Leihe), Max Kruse (VfL Wolfsburg), Filip Daems (KVC Westerlo), Thorben Marx (Karriereende), Christoph Kramer (Bayer Leverkusen, Leihe beendet)