Nach einer durchwachsenen Saison mit vielen unattraktiven Spielen soll Hertha BSC mit dem drittgünstigsten Comunio-Kader der Liga offensiver agieren und sich der Abstiegssorgen möglichst früh entledigen.
Die Situation:
Nach einer durchwachsenen Saison, in der es trotz Trainerwechsels am Ende noch einmal brenzlig wurde, sehnt man sich bei Hertha BSC nach einer sportlichen Konsolidierung. Besonders das Spieltempo soll erhöht und so mehr Druck auf den Gegner ausgeübt werden. Von Pal Dardai, der den Hauptstadt-Klub in der Rückrunde von Jos Luhukay übernahm und in der Folge in erster Linie für defensive Stabilität sorgte, erhofft man sich eine offensivere Spielweise. Dass das Spielermaterial für eine attraktivere Taktik nur spärlich vorhanden ist, findet dabei im Umfeld des Vereins eher wenig Beachtung.
Immerhin, und das ist die positive Kehrseite der Medaille, ist der Kader fast komplett zusammengeblieben. Bisher haben einzig der ohnehin selten eingesetzte Johnny Heitinga und Marcel Ndjeng den Verein verlassen. Die geringe Nachfrage anderer Klubs ist ebenfalls bezeichnend für die Leistungen der Mannschaft in der vergangenen Spielzeit. Bei Comunio hat Hertha beim Blick auf die letzte Saison nach dem Hamburger SV (539 Punkte) die zweitschlechteste Bilanz aller verbliebenen Bundesligisten vorzuweisen (665). Den Gesamtmarktwert des Comunio-Kaders (31 Mio.) können aktuell nur die Aufsteiger unterbieten.
Neuzugang Darida der bei weitem beste Comunio-Akteur
Namenhafte Neuzugänge lassen, von Vladimir Darida einmal abgesehen, ebenfalls noch auf sich warten. Zumindest ist der Tscheche, der für 3,8 Millionen vom SC Freiburg kam, eine echte Verstärkung für das Aufbauspiel. Der sichere Elfmeterschütze, der mit 103 Punkten in der letzten Saison doppelt so viele Zähler wie die besten Hertha-Feldspieler vorzuweisen hatte, dürfte das Tempo deutlich erhöhen.
Hinzu kommt Mitchell Weiser, der seine nachhaltige Bundesligatauglichkeit allerdings erst noch unter Beweis stellen muss und in den nächsten Wochen mit einem Innenbandanriss fehlt. Gesucht sind weitere, schnelle Verstärkungen für das Mittelfeld. Gehofft wird auf eine Leistungssteigerung der letztjährigen Transfers wie Salomon Kalou oder dem bereits in der Rückrunde stärker aufspielenden Valentin Stocker.
Kalou angezählt aber momentan ohne Konkurrenz
Kalou, im Sommer 2014 der Königstransfer, blieb weit hinter den Erwartungen zurück und gelobt nach einem ersten Eingewöhnungsjahr in der Bundesliga Besserung. Seinen Platz sicher hat der Ivorer, von dem Dardai mehr als sechs Tore und vor allem ein höheres Laufpensum erwartet, nicht automatisch. Da Julian Schieber zunächst weiter mit einem Knorpelschaden fehlt und Mainz-Rückkehrer Sami Allagui ebenfalls eine Knieverletzung erlitt, gibt es allerdings eigentlich niemanden, der aktuell Druck auf den 29-Jährigen ausüben könnte. In der Vorbereitung wurde Allrounder Nico Schulz auf der zentralen Position an vorderster Front getestet, bei ihm stocken nun allerdings die Verhandlungen über eine Verlängerung des 2016 auslaufenden Vertrags.
Hinten anstellen müssen sich die zurückgekehrten Langzeitverletzten Tolga Cigerci und Alexander Baumjohann. Finden beide zu alter Form, wertet dies den Kader deutlich auf. Positiv ist bei aller Kritik die stabile Viererkette um Plattenhardt, Brooks, Langkamp und Pekarik. Auch die gedämpften Erwartungen des Umfelds könnten sich positiv auf die Entwicklung der Mannschaft auswirken.
Comunios Player to watch:
Valentin Stocker könnte nach drei Toren zum Saisonende und neun Assists in der gesamten Saison bei einer offensiveren Grundausrichtung mehr zur Geltung kommen. Der 26-Jährige, der im vergangenen Sommer für vier Millionen Euro vom FC Basel kam und dort mit 150 Scorerpunkten in 259 Partien in guter Erinnerung geblieben ist, hat das Potenzial zu einem überdurchschnittlichen Bundesligaspieler.
Youngster to watch:
Dass sich im Kader der Hertha kaum wirkliche Talente finden, verwundert bei der Qualität der Nachwuchsteams etwas. Immerhin sind einige Spieler dabei, die aus der eigenen Jugend stammen und bereits seit längerem in der Bundesliga aktiv sind.
Auf dem Radar haben sollten Comunio-Manager John Anthony Brooks, der mit 22 Jahren inzwischen die nötige Reife besitzt, um sein ohne Frage vorhandenes Potenzial voll auszuschöpfen. Für den US-Nationalspieler spricht, dass Pal Dardai große Stücke auf das Eigengewächs hält. Die bevorstehende Vertragsverlängerung bis 2019 könnte John Anthony Brooks weiteren Auftrieb geben.
Prognose:
Als Ziele der Berliner gelten eine Weiterentwicklung des Spielstils sowie eine Saison ohne Abstiegssorgen. Beides kann nur erreicht werden, wenn das vorhandene Personal sein Potenzial voll ausschöpft. Guckt man sich die Bundesliga-Konkurrenz an, so ist schwer vorstellbar, dass Hertha BSC über das letzte Drittel der Tabelle hinauskommt.
In jedem Fall muss das Team mehr Torgefahr entwickeln. Bleibt diese aus, könnten Niederlagen die Folge sein, die auch den Stuhl von Pal Dardai schneller als erhofft zum Wackeln bringen würden. Für einen direkten Abstieg ist die Mannschaft dennoch zu stark besetzt. Die Hertha dürfte zwischen Platz 12 und 16 einlaufen.
Transferaktivitäten:
Zugänge: Allagui (Mainz 05, Ende des Leihgeschäfts), Vladimir Darida (SC Freiburg), Mitchell Weiser (Bayern München)
Abgänge: Johnny Heitinga (Ajax Amsterdam), Fabian Holland (Darmstadt 98, war bereits verliehen), Marcel Ndjeng (SC Paderborn)