27 Punkte sind die magere Bilanz nach 31 Bundesliga-Spielen für den Hamburger SV. Aktuell Platz 16 für den Traditionsclub. Und mit der Platzierung kann man sich an der Elbe noch glücklich schätzen. Einzig weil der 1. FC Nürnberg ebenso schwächelt und die Braunschweiger zuletzt ein knallhartes Programm hatten, steht man nicht ganz am Tabellenende. Sportchef Kreuzer zeigt sich auf der Zielgeraden dennoch kämpferisch. Aber welche Spieler tragen die Kampfansage mit und helfen das Ruder in letzter Sekunde nochmal herumzureißen?
“Der VfB Stuttgart hat vier Punkte Vorsprung. Die Relegation ist jetzt das große Ziel.“ Derartig realistisch äußerte sich Nationalspieler Marcell Jansen nach dem wichtigen Sieg der Schwaben gegen den FC Schalke 04. Im Rücken hingegen macht der 1. FC Nürnberg (ein Punkt Rückstand) sowie Eintracht Braunschweig (zwei Punkte Rückstand) ordentlich Dampf. „Der Druck wird brutal. In den letzten Spielen kann jeder jeden schlagen“, führt Marcell Jansen weiter aus.
Mittlerweile schaut man auch beim HSV der Realität in die Augen
Aus dem Abstiegskampf in der Bundesliga ist ein Dreikampf geworden und es ist gut, dass man beim Hamburger SV der Realität in die Augen schaut. Dementsprechend kämpferisch äußert sich auch Oliver Kreuzer: “Uns macht Mut, dass wir noch nicht abgeschlagen sind“, sagte der Sportchef gegenüber dem “Hamburger Abendblatt“, wir lassen uns nicht beirren und geben noch lange nicht auf. Wir fahren nach Augsburg, um zu gewinnen. Mit aller Brutalität.“
Marcell Jansen: „Alle, die sich aufgeben, sollen zu Hause bleiben. “ pic.twitter.com/MnmeRao02j
— BILD Hamburger SV (@BILD_HSV) 22. April 2014
Die große Frage ist jedoch: Wer reißt auf dem Platz das Ruder herum? Betrachtet man rückblickend die desaströse Vorstellung des HSV gegen den VfL Wolfsburg, wird einmal mehr deutlich, dass in der Mannschaft von Mirko Slomka kaum noch Energie, geschweige denn Motivation steckt, um ein Spiel gewinnen zu können. Besonders nach Rückständen bricht die Mannschaft nahezu komplett ein, was auch Hakan Calhanoglu – einer der wenigen Lichtblicke im Trikot des Hamburger SV – bestätigt: “Der Knackpunkt war die zweite Minute. Nach dem frühen 0:1 sind wir umgekippt. Die zweite Minute war ein richtiger Knock-out.“
Zu kleiner Kader verhindert das Kompensieren der vielen Verletzten
Zu viele Leistungsträger sind dem HSV in dieser Saison verletzungsbedingt weggebrochen. Besonders der Ausfall von Lebensversicherung Pierre-Michel Lasogga fällt bei den Hanseaten schwer ins Gewicht. Mit zwölf Treffern in 19 Partien hat Lasogga eine hervorragende Quote vorzuweisen. Stolze 100 Comunio-Punkte sammelte der gebürtige Gladbecker bisher. Auch wenn Lasogga kürzlich wieder mit dem Lauftraining begonnen hat, spricht wenig für einen Einsatz am Wochenende gegen den FC Augsburg.
Aber auch die schwere Knieverletzung von Maximilian Beister zerrupfte den, ohnehin nicht allzu breiten, Kader des HSV gewaltig. Auch wenn Lasogga die Lücke im Sturmzentrum in bestimmten Saisonphasen gut kompensieren konnte, ist die fehlende Breite im Kader mit Sicherheit ein Grund für die große Verletztenliste der Hamburger in dieser Saison.
Gerade die wenigen Spieler, die bereit waren das Heft in die Hand zu nehmen und dadurch energische und willensstarke Leistungen zeigten, verletzten sich kurzerhand. Beispielsweise ein Marcell Jansen, ein wiedererstarkter Slobodan Rajković oder ein Milan Badelj. Genauso wie ein Heiko Westermann oder ein Ivo Ilicevic, die immer mal wieder verletzungsbedingt passen mussten.
Der unerwartete Unterschied
Einen auffälligen Leistungsunterschied, der zu Beginn der Saison so nicht zu erwarten war, gibt es bei den Personalien Rafael van der Vaart und Hakan Calhanoglu zu beobachten. Wo man eins dachte, der Niederländer würde als eine Art Lehrer auf dem Platz für den jungen Türken fungieren, ist gerade im Saisonendspurt nichts mehr zu erkennen. Van der Vaart ist ein Schatten seiner selbst. Hakan Calhanoglu überragt ihn in der Rückrunde in allen Belangen. Auch wenn der Niederländer in der Rückrunde immer wieder von kleineren Blessuren zurückgeschlagen wurde, sind die Leistungen von Van der Vaart erschreckend: Auf eine einzige Positivbewertung (Note 3,5) brachte es der 31-jährige Leader in der bisherigen Rückrunde.
Vor der Winterpause präsentierte sich der holländische Nationalspieler da noch ganz anders. 74 Punkte in 14 eingesetzten Partien katapultierten ihn auf Platz sechs der besten Mittelfeldakteure der Hinrunde. Sein Nachlassen zur Rückrunde, als der HSV mehr und mehr in die Bredouille geraten ist, ist ein Indiz dafür, dass Rafael van der Vaart als Führungsspieler versagt hat.
Völlig anders präsentierte sich hingegen der Sprössling Hakan Calhanoglu. Immer dann wenn van der Vaart ausfiel, war er da und zeigte brillante Vorstellungen auf der Zehnerposition. Mit seinen 20 Jahren führte und inszenierte er das Spiel der Hamburger wie ein Großer. Zehn Saisontore, darunter wunderschöne wie der Freistoßtreffer aus 40 Metern Entfernung gegen Borussia Dortmund, untermauern seinen besonderen Wert für die Mannschaft. Dass Interesse von allen möglichen großen Vereinen angedeutet wird, verwundert da kaum. Und trotz toller Angebote verlängerte der Deutschtürke seinen Vertrag bis 2018.
Doch ein grandios aufspielender Hakan Calhanoglu kann die Hamburger nicht im Alleingang retten. Auch wenn der HSV sich im Zusammenhalten schwer tut, ist genau dieses mannschaftliche Beisammenstehen notwendig, um das ausgegebene Ziel Relegation zu erreichen. Marcell Jansen und Milan Badelj stiegen diese Woche wieder ins Training ein. Zwei wichtige Personalien, die helfen können, den Bundesliga-Dino vor der Zweitklassigkeit zu bewahren.