Selbst mit Philipp Lahm galt die Außenverteigung als Problemzone des DFB-Teams; durch seinen Rücktritt ist diese Baustelle noch größer geworden. Welche Optionen hat Bundestrainer Jogi Löw?
Dass der Kapitän nach dem WM-Titel seinen Rücktritt aus der Nationalmannschaft erklärt hat, war für viele Fans ein Schock. Mit 30 Jahren befindet sich Philipp Lahm schließlich noch in einem guten Fußball-Alter. Nun muss der scheinbar Unersetzbare ersetzt werden – nicht zum ersten Mal.
Schon zum WM-Beginn hatte der Bundestrainer die Position des rechten Verteidigers neu bekleiden müssen, da er Lahm im Mittelfeld einsetzte. Das funktionierte jedoch nicht gut, sodass der Bayern-Spieler in die Viererkette zurückrotiert wurde. Nun ist er ganz weg. Wer wird ihn ersetzen?
Optionen aus dem WM-Kader
Das Modell mit vier Innenverteidigern gilt in ganz Deutschland als verschmäht. Jerome Boateng spielte zunächst rechts hinten, brachte aber ähnlich wie Benedikt Höwedes auf der anderen Seite kaum Akzente nach vorne. Im Algerien-Spiel musste Shkodran Mustafi ran, der jedoch überfordert wirkte und im Offensivspiel n0ch weniger zustande brachte.
Für Mustafi als neuen Stamm-Rechtsverteidiger spricht nicht viel. Wahrscheinlicher ist es, dass er weiterhin als Alternative zum erweiterten Kader gehören wird. Jerome Boateng zeigte im WM-Finale eine überragende Leistung – als Innenverteidiger. Das Duo Boateng-Hummels harmoniert gut und dürfte in Zukunft weiter bestehen, sodass der Bayern-Spieler als Option für außen wegbricht.
Kevin Großkreutz war in Brasilien auf dem Platz kein Thema, spielt bei Dortmund inzwischen wieder vermehrt im Mittelfeld. Der variabel einsetzbare Borusse als dauerhafte Lösung für rechts hinten? Nicht unvorstellbar, aber auch nicht unbedingt realistisch, dafür bekleidet er die Position im Verein zu selten. Langfristige Optionen bietet der WM-Kader nicht – dafür aber der Nachwuchs.
Optionen aus dem erweiterten Kreis
Schon seit Jahren gilt Sebastian Jung als designierter Nachfolger von Philipp Lahm. Der 24-Jährige ist eines der größten Talente Deutschlands auf dieser Position, muss nun aber den Schritt vom Talent zum Spieler mit internationaler Klasse machen. Der Wechsel zum VfL Wolfsburg war für seine Karriere der richtige. Wenn sich Jung bei den Wölfen gut weiterentwickelt, könnte er schon bei der EM 2016 der Lahm-Nachfolger sein.
Im Testspiel gegen Polen, das das DFB-Team im Mai ohne die Stars von Dortmund, Bayern und Arsenal bestritt, stand jedoch nicht Jung in der Startelf, sondern Antonio Rüdiger vom VfB Stuttgart. In der vergangenen Saison schaffte der 21-Jährige den Sprung in die Stammelf – allerdings als Innenverteidiger. Da Rüdiger beim VfB in naher Zukunft wohl nicht rechts hinten eingesetzt wird, ist er für Löw wohl nicht die erste Option für rechts hinten.
Im Polen-Spiel verteidigte Freiburgs Oliver Sorg links. Der fünffache U21-Nationalspieler kann jedoch auch auf der anderen Seite spielen. Sorg wird vom Bundestrainer, der in Freiburg wohnt, regelmäßig im Stadion beobachtet. Allerdings ist er mit 24 Jahren an einem Punkt in seiner Karriere, an dem er bald einen Leistungssprung schaffen muss, um für höchstes Niveau geeignet zu sein. In Freiburg ist das schwieriger als in Wolfsburg – Vorteil Jung.
Option Dreierkette?
Vom Spielermaterial her bietet es sich für Jogi Löw an, mit einer Dreierkette agieren zu lassen. Boateng-Mertesacker-Hummels könnte diese heißen. Höwedes, Ginter, Mustafi und vielleicht auch bald Badstuber wären alternative Optionen. Dass bei dieser taktischen Variante die Außenverteidiger-Positionen wegfallen, ist allerdings ein Mythos.
Die WM hat es einmal mehr gezeigt: Die Dreierkette war in, Teams wie Costa Rica, die Niederlande und Chile wandten sie erfolgreich an. Für dieses System benötigt man jedoch Außenspieler von besonderer Art, denn beim Verteidigen wird aus der Dreier- eine Fünferkette. Ob 3-4-3, 3-5-2 oder sogar 3-6-1, defensivstarke Flügel sind unverzichtbar.
Nach solchen Spielern sucht man in Deutschland ebenso vergeblich wie nach „normalen“ Außenverteidigern. Bei der WM hießen die offensiven Außen Thomas Müller und Mesut Özil – als Flügelverteidiger nicht gerade geeignet. Ein 3-5-2 mit Müller und Özil bzw. Götze und Schürrle oder auch Podolski wäre zu offensiv. Eine Dreierkette wäre nicht die Lösung der Problemzone Außenverteidigung.