Erst flossen Tränen, dann wurde gerätselt: Wer wird nach dem emotionalen Abschied von Marc-André ter Stegen das Tor bei Borussia Mönchengladbach hüten? Die Entscheidung fiel auf den Schweizer Yann Sommer. Wir ziehen Bilanz.
Es war ganz großes Bundesliga-Kino, als Marc-André ter Stegen vor ziemlich genau einem Jahr unter Tränen seinen Abschied von Borussia Mönchengladbach bekanntgab. Der große FC Barcelona hatte ihm einen Vertrag vorgelegt – und der Borussia ein ansehnliches Angebot unterbreitet. Torwart und Verein konnten (und wollten) nicht umher: der Transfer kam zustande. Am 3. Mai 2014 bestritt ter Stegen das letzte Heimspiel für seinen Kindheitsklub – Tränen, Blumen und Adé!
Derweil wurde hinter den Kulissen geackert: Manager Max Eberl hatte nicht viel Zeit, um versonnen durch Fotoalben mit dem kleinen Marc-André in seinem ersten Gladbach-Trikot zu blättern – immerhin brauchte die Borussia einen neuen Torwart. Es galt, die zwölf Millionen Euro, die Barcelona für ter Stegen nach Gladbach überwiesen hatte, in einen adäquaten Ersatz zu reinvestieren. Keine leichte Aufgabe.
Max Eberl holt den „Verrückten“ zur Borussia
In der Lostrommel lag eine ganze Reihe potentieller Nachfolger: Frankfurts Kevin Trapp, Hannovers Ron-Robert Zieler, Berlins Thomas Kraft und Freiburgs Oliver Baumann, der dann aber zur TSG 1899 Hoffenheim wechselte. Und dann gab es da noch diesen verrückten Schweizer: Yann Sommer vom FC Basel, der seinerzeit hierzulande vor allem durch ein Youtube-Video zu einer Internet-Berühmtheit geworden war, in dem er im Schweizer Pokalfinale die gegnerischen Elfmeterschützen mit Grimassen und Zappelei zu irritieren versuchte – mit Erfolg.
Am Ende machte er das Rennen bei der Borussia, für acht Millionen Euro wechselte der 26-Jährige vom FC Basel nach Gladbach. Und das, obwohl er für die meisten Zuschauer der Bundesliga bis dato ein völlig Fremder gewesen sein dürfte. Logisch, dass so eine Entscheidung auch Wind in den Segeln der ewigen Nörgler und Schwarzmaler war.
Yann Sommer: Ein smarter Typ mit Ambitionen
Doch es stellte sich schnell heraus, dass Max Eberl seine Hausaufgaben gründlich erledigt hatte. Sommer überzeugte Publikum und Trainerteam mit starken Leistungen – und stellte sich außerdem noch als ein Torwart mit ungewohnt entspanntem Wesen heraus. Schon nach wenigen Wochen im Verein sprach er öffentlich nur noch von „uns Borussen“ und „wir hier, bei der Borussia…“
Dem Schweizer Sport-Nachrichtendienst „Sportinformation“ sagte er in einem Interview: „Für mich war es (der Wechsel nach Gladbach, d. Red.) eine Challenge, die einen extrem weiterbringt. Und glauben Sie mir, es geht manchmal auch darum, sich nicht gleich von Beginn weg in den Vordergrund zu drängeln. Man muss nicht in den ersten drei Wochen allen zeigen, wie gut man ist. Besser mal die einfachen Dinge machen, sich ein wenig Zeit geben, daran wachsen, daran denken, dass man für fünf Jahre unterschrieben hat.“ So spricht einer, der mit der Borussia noch Ziele hat.
Die Fußstapfen von Marc-André ter Stegen
Und vor allem spricht so ein Torwart, der sich bei seinem neuen Arbeitgeber noch verbessern will. Das spiegelt sich auch aus Comunio-Sicht gut wieder: Im Punkte-Ranking der Torhüter steht Yann Sommer mit 52 Punkten auf Platz acht von insgesamt 20 bisher eingesetzten Torhütern (Eintracht Frankfurt und der FC Augsburg sind doppelt vertreten). Im Durchschnitt sind das 3,06 Punkte pro Spiel bei einem Marktwert von aktuell einer Million Euro. Zum Vergleich: Spitzenreiter des Keeper-Rankings ist Schalkes Ralf Fährmann – er holt im Schnitt 4,47 Punkte pro Spiel.*
Hält Sommer seinen Schnitt, wird er am Saisonende 104 Punkte auf dem Konto haben; sein Vorgänger Marc-André ter Stegen hatte am Ende der Saison 2013/2014 138 Punkte eingesammelt. Jedoch, ohne nun zu sehr in Erbsenzählerei verfallen zu wollen, hat Sommer zur Winterpause mit 16 Gegentoren drei weniger kassiert als ter Stegen zum gleichen Zeitpunkt in der Vorsaison.
Die Verantwortlichen in Gladbach haben wohl eine gute Wahl getroffen. Auch, wenn ter Stegen bei seinem Abschied nicht nur emotional ein undankbares Erbe hinterlassen hat. Aber Yann Sommer hat es ja angekündigt: Er ist noch lange nicht am Ende seiner Entwicklung angekommen.
*Alle Werte entsprechen dem Stand vor dem 18. Bundesliga-Spieltag.