Am Samstag endet die Bundesliga-Saison 2014/2015 – und der FC Bayern München steht seit Wochen als deutscher Meister fest. Vor 13 Jahren war das Saisonfinale spannender. Sogar so sehr, dass Reiner Calmund weit vor dem Abpfiff seinen Sitz verließ, um sich zu verstecken.
Es läuft die 17. Spielminute im Westfalenstadion. Werder Bremen ist zu Gast bei Borussia Dortmund, es ist der letzte Spieltag der Saison 2001/2002, 68.600 Zuschauer sind gekommen.
Aus heiterem Himmel landet der Ball im Strafraum des BVB bei Werders Ailton. Der befreit sich aus dem Klammergriff von Christoph Metzelder, legt den Ball quer an den Fünfmeterraum, wo Paul Stalteri mutterseelenallein steht und zur Gästeführung einschiebt.
In diesem Moment reißen nicht nur die Werder-Fans in der Gästekurve die Arme nach oben, sondern auch 20.000 Leverkusen-Fans 80 Kilometer südwestlich vom Westfalenstadion. In der BayArena führt die Werkself zu dem Zeitpunkt durch einen direkt verwandelten Freistoß von Michael Ballack nämlich bereits mit 1:0 gegen Hertha BSC – und wäre zu dem Zeitpunkt deutscher Meister!
Dreikampf um die Meisterschaft
Das Saisonfinale 2002 gehört bis heute zu den spannendsten der jüngeren Bundesliga-Geschichte. Die Tabellenkonstellation vor dem letzten Spieltag: Borussia Dortmund stand mit 67 Punkten auf Platz eins, Leverkusen dahinter mit nur einem Punkt weniger, gefolgt vom FC Bayern München, der ebenfalls nur einen Punkt weniger auf dem Konto hatte als die Werkself.
Für Bayer Leverkusen bot sich demnach die Chance, die erste deutsche Meisterschaft in der Vereinsgeschichte zu feiern. Dazu musste Leverkusen nur sein Heimspiel gegen die Hertha gewinnen – und darauf hoffen, dass der BVB gegen Bremen Punkte liegen lässt.
Ballack erhöht, Calmund kann nicht hinsehen
Zurück ins Jahr 2002. Zur Halbzeit steht es im Westfalenstadion 1:1, weil Jan Koller kurz vor dem Pausenpfiff mit einem flachen Rechtsschuss den Ausgleich erzielt hat. Leverkusen hat die knappe 1:0-Führung in die Pause gerettet. Bleibt alles so, geht die Meisterschale nach Leverkusen.
Zweite Halbzeit. Nach einer Ecke in der 51. Spielminute stellt Leverkusen den Spielstand auf 2:0, wieder ist es Michael Ballack, der trifft. Der Jubel ist groß in der BayArena, aber die Fans wissen auch, dass Borussia Dortmund nur ein Tor davon entfernt ist, die Leverkusener Meisterfeier platzen zu lassen.
Zu viel Aufregung für Bayer-Geschäftsführer Reiner Calmund. Noch während das Spiel läuft, steht er von seinem Platz auf, verschwindet in den Katakomben der BayArena, um sich schließlich im Trainerbüro einzusperren. Eine Szene, die später in jedem Saisonrückblick Erwähnung finden wird.
Das glückliche Händchen des Matthias Sammer
Die 73. Spielminute im Westfalenstadion. Dortmunds Trainer Matthias Sammer sieht, wie seiner Mannschaft die Zeit davon läuft – und handelt. Für Jörg Heinrich wechselt er Ewerthon ein. Ein Stürmer für einen Verteidiger, volles Risiko für die Meisterschaft.
Eine Minute später. Dede passt auf der linken Seite zu Ricken, der legt ab auf Rosicky, der den Ball hoch in den Sechzehner schaufelt. Dort hat sich wiederum Dede freigelaufen und leitet die Flanke artistisch weiter in die Mitte. Dort verpasst Koller mit dem Kopf, Hektik im Fünfmeterraum, am langen Pfosten grätscht der gerade erst eingewechselte Ewerthon heran und drückt den Ball mit etwas Glück über die Linie ins Tor – 2:1 für Borussia Dortmund!
Dortmund feiert, Leverkusen geht wieder leer aus
Eine Viertelstunde später ist Schluss. Im Westfalenstadion brechen alle Dämme, die Spieler übergießen sich gegenseitig mit Bier, präsentieren den Fans die Meisterschale. Zur gleichen Zeit hält Reiner Calmund in der BayArena unter Tränen eine bewegende Rede, befördert seine Mannschaft von „Vizekusen“ zum „Meister der Herzen“.
Und der FC Bayern, der kurz vor Ende der Saison 2014/2015 schon längst als Meister feststeht? Der gewann an diesem Tag vor 13 Jahren zwar auch sein Auswärtsspiel beim VfL Wolfsburg, musste aber aus der Entfernung zusehen, wie ausnahmsweise mal andere feierten.