Foto: AP Photo
Die Ära Nagelsmann in Hoffenheim ist mittlerweile zehn Spiele alt, sodass langsam aber sicher ein erstes Zwischenfazit gezogen werden kann. Grundsätzlich sollte dieses natürlich positiv ausfallen, denn der jüngste Cheftrainer der Bundesligageschichte hat seine TSG im Nu aus dem Tabellenkeller ins – noch nicht gesicherte – Mittelfeld geführt. Doch wie sieht es auf Comunio aus? Ist auch in unserem Manager ein Nagelsmann-Effekt erkennbar?
28 Jahre und 205 Tage. Was nach dem besten Fußballeralter klingt, entspricht auch der Lebenserfahrung, mit der Julian Nagelsmann in Hoffenheim das Amt des Cheftrainers übernahm. Jünger gab’s noch nie. Dementsprechend groß war die mediale Aufmerksamkeit.
Auch für einen Coach in durchschnittlichem Alter wäre der Druck im Kraichgau schon groß genug gewesen. Schließlich hatte die TSG vor Nagelsmanns Einstand gerade einmal 14 Punkte aus 20 Spielen gesammelt und damit gemeinsam mit dem Tabellenschlusslicht Hannover die schlechteste Bilanz der Liga. Unter Huub Stevens, der als Notnagel-Feuerwehrmann bis zum Saisonende übernehmen sollte, kam die Mannschaft nicht zu Kräften – im Gegenteil: Nur eine der elf Partien seit dem 10. Spieltag konnte 1899 gewinnen.
Letztendlich musste wie Markus Gisdol auch Huub Stevens überfordert die Segel streichen, sodass Julian Nagelsmann nicht erst zur neuen Saison, sondern bereits zum 21. Spieltag den Chefposten übernahm.
Jung, frisch, frech
Seither gibt es im Kraichgau wieder Grund zum Lachen – und zur Hoffnung. Wider Erwarten hat der unerfahrene Trainer mit Sofort-Hilfe-Maßnahmen unmittelbaren Erfolg eingestellt. In zehn Spielen gewann sein Team fünf Mal, verlor nur zwei Partien und spielte drei Mal Remis. Zum Vergleich: In den 20 Spielen zuvor gewannen die 1899er gerade einmal drei Begegnungen!
Vom reinen Effekt des Trainerwechsels kann man in Hoffenheim daher schon längst nicht mehr sprechen. Nagelsmann ist ein Macher und hat schon jetzt einiges bewegt. Auch bei Comunio, wo seine Spieler nun deutlich mehr Punkte generieren als in den ersten beiden Saisondritteln.
Zieht man nur die Comunio-Punkte seit Nagelsmanns Einstieg am 21. Spieltag heran, so ist die TSG Hoffenheim das viertbeste Team der Liga mit starken 375 Zählern, stärker sind nur die Gladbach, Dortmund und natürlich die Bayern. Auch hier der Vergleich: Vor Nagelsmann kamen die Hoffenheimer Spieler zusammengenommen nur auf 319 Punkte – trotz der doppelten Anzahl an Spielen!
Fast nur Gewinner
Was auf das Team als gesamtes zutrifft, gilt auch für die meisten Einzelspieler: Von Nagelsmann profitiert fast jeder. Dies liegt aber auch daran, dass zuvor fast jeder Akteur unter seinen Möglichkeiten blieb. Im Grunde genommen alle bis auf Keeper Oliver Baumann, der schon seit dem ersten Spieltag eine starke Saison spielt. Der Ex-Freiburger ist mit 108 Zählern Hoffenheims bester Punktesammler und obendrein wortstarker Leader, auf den Nagelsmann bedingungslos baut.
Ansonsten war in Hoffenheim vor dem Trainerwechsel tote Comunio-Hose. Leistungsträger ließen die Köpfe hängen und mit ihnen die ganze Mannschaft. Mittlerweile zeichnet sich ein völlig anderes Bild. Bestes Beispiel: Kevin Volland.
Der Offensivspieler litt mit am schwersten unter Hoffenheims sportlicher Krise. Dank eines Zwischenhochs von 32 Punkten in zwei Spielen laß sich seine Bilanz zwar nicht schlecht, jedoch erreichte er nur in drei Spielen mehr als vier Punkte. Eine mickrige Ausbeute angesichts Vollands Fähigkeiten.
Unter Nagelsmann hat Volland bereits 41 Zähler auf dem Konto und befindet sich endlich auf dem Weg zur Topform. Diese benötigen die Kraichgauer, wollen sie den Klassenerhalt vorzeitig sichern.
Sorgenkinder haben Spaß
Die wirklichen Profiteure des Trainerwechsels sind jedoch andere. Denn unter Julian Nagelsmann haben gleich mehrere Spieler eine 180-Grad-Wende hingelegt. Allen voran Nadiem Amiri und Mark Uth. In beiden Fällen war gemeinhin bekannt, dass sie mit dem runden Leder umzugehen wissen, doch erst unter dem 28-Jährigen brachten sie ihre Fähigkeiten auch auf den Platz. Amiri schaffte es so vom Bank-Pendler zum unumstrittenen Stammspieler. Und Mark Uth? Der traf in neun Nagelsmann-Partien fünf Mal, bei einer Torvorlage (Zuvor insgesamt ein Tor).
Kramaric, Kaderabek, Süle, Strobl… Das Karussell lässt sich weiterdrehen. Der Großteil der 1899-Akteure weist unter Nagelsmann einen signifikant besseren Punkteschnitt auf als zuvor. Modus „Wolke Sieben“ gilt jedoch nicht für alle Spieler
Schwierige Einzelfälle oder erkennbares Muster?
Denn während die jungen Wilden wie Uth, Süle, Amiri oder Kramaric unter Nagelsmann aufblühen, darf man nicht unter den Teppich kehren, dass auch einige Akteure seither abfallen – vor allem ältere. Zu nennen wäre hier an erstes Stelle Eduardo Vargas, der vor dem Trainerwechsel unumstrittener Stammspieler war und nun stetig weniger Minuten sieht. Ähnliches gilt für Eugen Polanski, auf dessen Erfahrung Nagelsmann nicht blind zu setzen scheint, Amiri hat ihm den Rang abgelaufen.
Überhaupt keine Rolle spielen unter dem Neu-Coach Tarek Elyounoussi und Kevin Kuranyi. Die beiden Offensivkräfte lassen dem Vernehmen nach im Training die Zügel schleifen. Bei Spielern wie Pirmin Schwegler machte dagegen das Verletzungspech einen Strich durch die Rechnung. Ob diese Personalien nun Ausnahmen sind, die die Regel bestätigen, oder aber doch einem Muster folgen (ältere, etablierte Akteure), lässt sich wohl nicht ohne Weiteres bestimmen.
Fest steht. Julian Nagelsmann hat für klar Schiff gesorgt in Hoffenheim und die Mannschaft zurück auf die Erfolgsspur geführt. Auf die Abstiegsränge hat man mittlerweile einen Vorsprung von drei Zählern, den man bei einem gelungenen Wochenende sogar noch ausbauen kann.