Shinji Kagawa wurde in Dortmund mit offenen Armen empfangen. Der Japaner verspricht weitere Flexibilität im Mittelfeld. Wo er zum Einsatz kommen soll und was das für Reus und Co. bedeutet.
Etwas überraschend wurde Shinji Kagawa 2010 nach seinem Wechsel von Cerezo Osaka zum BVB zu einem Garanten der Dortmunder Titelgewinne in den folgenden zwei Jahren. Zum Schnäppchenpreis von 350.000 Euro kam der Japaner damals ins Ruhrgebiet und wusste trotz hochkarätiger Konkurrenz schon bald zu überzeugen. Spätestens nach dem 4. Spieltag der Saison 2010/11 und zwei Treffern gegen Schalke 04 hatten die Schwarzgelben das bewegliche Fliegengewicht (64 kg) in ihr Herz geschlossen.
Nun ist Kagawa (oben im Bild nach seinem letzten Tor für den BVB im Pokalfinale 2012 gegen Bayern München) nach zwei Jahren in Manchester zurück an der Stätte seiner größten sportlichen Erfolge. Während Louis van Gaal keine Verwendung mehr für den quirligen aber nicht ins neue United-System passenden Mittelfeldspieler hatte, freut sich Jürgen Klopp über die Möglichkeiten, die durch die Verpflichtung des 25-jährigen entstehen. Bei Comunio wird der Regisseur aktuell mit einem Marktwert von 13,07 Millionen gehandelt.
Mit acht Millionen Euro Ablöse (plus Bonuszahlungen) ist der Asienmeister von 2011 ein wahres Schnäppchen. Auch ist die Rückkehr aus Marketinggründen durchaus lohnenswert für die Westfalen. Vertriebs- und Marketingdirektor Carsten Cramer hat auf seiner beruflichen Asien-Reise in der nächsten Woche nun einen weiteren Joker in der Hand. Die Anzahl der verkauften Kagawa-Trikots soll zudem bereits im mittleren vierstelligen Bereich liegen.
Zu Beginn des reaktivierten Arbeitsverhältnisses darf zwar mit einer Wiedereingewöhnungsphase gerechnet werden, wie sie auch bei Nuri Sahin vonnöten war, auf lange Sicht allerdings dürfte sich Kagawa aufgrund seiner Qualitäten als uneingeschränkte Verstärkung etablieren. Schaut man sich die Dortmunder Anfangself bei Kagawas letztem Bundesliga-Auftritt gegen Freiburg (34. Spieltag 2011/12) an, so hat sich scheinbar kaum etwas verändert. Einzig Lewandowski ist nicht mehr im heutigen Kader zu finden. Auf den zweiten Blick jedoch ist das damals ohne Kompromisse praktizierte 4-2-3-1 einer flexibleren Formation gewichen, an deren Anforderungen Kagawa sich anpassen muss.
Da Marco Reus sich mit einer zentraleren Rolle angefreundet hat und inzwischen auch Mkhitaryan aus dem BVB-Mittelfeld nicht mehr wegzudenken ist, stellt sich die Frage nach der Position des handlungsschnellen Neuzugangs. Die Zusammensetzung des Dortmunder Personalpuzzles wird Jürgen Klopp vor einige Aufgaben stellen, insbesondere wenn demnächst auch noch Ilkay Gündogan und Jakub Blaszczykowski nach ihren Verletzungen zurück in die erste Elf drängen.
Viel spricht deshalb dafür, dass Jürgen Klopp in Zukunft neben einer sehr flexiblen offensiven Dreierreihe mit häufigen Rocharden auch auf ein dynamisches 4-1-4-1 setzen wird. Hier könnten Reus und Kagawa gemeinsam durch die Zentrale wirbeln, während Mkhitaryan eher weiter außen zu finden sein würde. Gleichzeitig dürften die Positionen häufig getauscht werden, um beim Gegner Verwirrung zu stiften. Auch Blaszczykowski und Jojic wären in diesem Fall mögliche Nominierungen.
Als weitere Option ist ein 4-4-2 mit Marco Reus als torgefährlicher hängender Spitze denkbar – besonders wenn, und diesen Anschein hat es im Moment, der bisherige Königstransfer Ciro Immobile weitere Zeit benötigt. Da Durm oder Schmelzer auf der linken sowie Piszczek oder Großkreutz auf der rechten Abwehrseite ihre Rolle sehr offensiv interpretieren, dürfte der BVB dann mit zwei unterschiedlich ausgerichteten Sechsern agieren. Kehl oder Bender für die eher defensive Rolle, Gündogan oder Jojic für den eher nach vorne orientierten Part hießen dann, nach dem Ausfall von Nuri Sahin (Knie-OP), die ersten Optionen.
Läuft die Borussia im altbekannten 4-2-3-1 auf, hat Klopp im offensiven Mittelfeld fast unbegrenzte Möglichkeiten. Schlägt Kagawa ein, ist auch eine Rückversetzung von Marco Reus auf die linke Seite innerhalb dieses Konstrukts im Bereich des Möglichen. Mkhitaryan auf den Außenbahnen oder zentral und Aubameyang oder Blaszczykowski auf der rechten Außenbahn hießen hier die weiteren Möglichkeiten.
Zunächst bleibt ohnehin abzuwarten, wie schnell Kagawa nach der zuletzt geringen Wertschätzung seiner Qualitäten in Manchester in die Spur findet. Die Fans des BVB erhoffen sich natürlich eine ebenso überraschend kurze Eingewöhnungsphase wie 2010. Vier Spiele benötigte Kagawa damals, um sich mit seinen Treffern gegen Schalke 04 endgültig in die Herzen der Anhänger zu spielen. Vier Jahre später könnte es zu einer ähnlichen Konstellation kommen: Am 6. Spieltag gastiert die Borussia beim Erzrivalen aus Gelsenkirchen.