Auf den FA Cup und den Community Shield soll in der neuen Saison ein ganz großer Titel folgen. Für dieses Ziel hat der FC Arsenal ordentlich aufgerüstet. Reicht die Qualität schon für Meisterschaft oder Champions League?
Der Transfersommer verlief für die Gunners konträr zum Vorjahr. Während man 2013 lange nur von großen Transfers sprach, ehe erst kurz vor Toreschluss Mesut Özil an Land gezogen wurde, war die Hauptarbeit in diesem Jahr schon im Juli erledigt – angefangen mit Königstransfer Alexis Sanchez.
Schmerzhafte Abgänge wie Cesc Fabregas 2011 oder Robin van Persie 2012 musste Arsenal diesmal nicht hinnehmen. Wirklich nennenswert sind nur Thomas Vermaelen (FC Barcelona), der in der vergangenen Saison jedoch nur eine untergeordnete Rolle spielte, und Rechtsverteidiger Bacary Sagna (Manchester City).
Für den Franzosen hat Arsene Wenger sogar ein Upgrade gefunden. Landsmann Mathieu Debuchy kam aus Newcastle, hat in der Nationalmannschaft die Nase klar vor Sagna und überzeugte bislang auch beim neuen Klub. Neben Torwart David Ospina fand Youngster Calum Chambers ebenfalls den Weg nach London. Der 19-Jährige gilt als hochtalentiert und kann fast jede Position im Defensivbereich spielen.
Das Mittelfeld als Herzstück
Vor wenigen Jahren galt Arsenal noch als einer der Vereine mit den meisten jungen Talenten, aber wenigen Stars. Lange wurde darauf gewartet, dass aus den Talenten echte Profis werden. Inzwischen haben zwei Youngster die Qualität, eine geniale Achse zu bilden: Aaron Ramsey und Jack Wilshere.
Das Mittelfeld-Duo ist schon so lange im Team von Arsene Wenger, dass man schnell vergisst, wie jung die beiden sind. Wilshere ist 22, hat jedoch schon eine lange Verletzungsphase hinter sich. Von Juli 2011 bis September 2012 fiel der Linksfuß komplett aus, seither plagen ihn immer wieder kleinere Verletzungen. Auch Ramsey, 23, brach sich 2010 das Schien-und Wadenbein und fiel dazu das gesamte Jahr 2012 aus.
Manche erinnern sich noch an den Wahnsinns-Auftritt von Jack Wilshere gegen den FC Barcelona im Jahr 2011 – dazu gibt es sogar ein Youtube-Video. Darin kann man eindrucksvoll sehen, über welche Fähigkeiten der damals 19-Jährige verfügt: Pressingresistenz, Athletik, Passsicherheit – an sich ist Wilshere der perfekte zentrale Mittelfeldspieler. Kaum auszumalen, wie stark er jetzt wäre, wenn die böse Verletzung nicht dazwischengekommen wäre.
Ähnliches gilt für Aaron Ramsey, der in der letzten Saison seinen Durchbruch feiern konnte. Der offensiver ausgerichtete Box-to-box-Player war 2013/14 in 23 Premier-League-Einsätzen an 19 Toren beteiligt. Der Waliser ergänzt sich perfekt mit dem Engländer Jack Wilshere; wenn beide endlich über eine längere Zeit ohne Verletzung bleiben, haben sie das Potenzial zu einer Traumachse à la Xavi-Iniesta.
Abgesichert werden die beiden Achter durch Kapitän Mikel Arteta, einen beständigen Sechser, der aber nicht Weltklasse-Niveau hat. Arsene Wenger war den Sommer über auch auf der Suche nach einem Ersatz für den Spanier, blieb bisher jedoch erfolglos. Sami Khedira wäre zu haben, doch der perfekte Mann für die Position ist der Weltmeister nicht. Die Namen Alex Song, William Carvalho und Morgan Schneiderlin kursieren weiterhin.
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Planspiele für die neue Offensive
Das Dreier-Mittelfeld ist ein fester Bestandteil des Systems, mit dem das Trainerteam für die kommende Zeit plant. Ein zentraler Sechser, zwei auf den Halbpositionen agierende Achter – klingt erstmal nach einem relativ klassischen 4-3-3. Wo wäre da der Platz für Mesut Özil oder Santi Cazorla?
Hier wird bereits viel spekuliert, doch einige Protagonisten stehen noch nicht zur Verfügung. Neben den Weltmeistern Özil und Podolski fehlt der Langzeitverletzte Flügelflitzer Theo Walcott, der nach seinem Kreuzbandriss noch Zeit braucht. So wurde in den letzten Partien stets mit der Flügelzange Sanchez-Cazorla und einem Mittelstürmer gespielt.
An den Sturmspitzen Olivier Giroud und Yaya Sanogo wird von Seiten der Fans fast ausschließlich herumgenörgelt. Eine richtige Bindung zum Spiel fand in der Vergangenheit weder der oft untertauchende französische WM-Fahrer noch sein junger Landsmann. Daher könnte ein neues System angestrebt werden: Ein modernes 4-1-2-1-2 mit einer Doppelspitze aus horizontal ausweichenden Flügelspielern.
Mesut Özil nimmt in dieser Formation die zentrale Stelle hinter den Spitzen ein, könnte dabei selbst immer wieder in die vorderste Front rücken. Das flexible Duo bilden Theo Walcott und Neuzugang Alexis Sanchez – beide Spieler, denen eine solche Rolle von den Fähigkeiten her sehr gut liegen dürfte. Beim Chilenen hat man bisher das Gefühl, dass er auf den Außen klebend nicht seine ganze Qualität entfalten kann.
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…….Sanchez………………………Walcott……..
………………………..Özil…………………………
……….Wilshere………………..Ramsey………..
………………………Arteta………………………..
Gibbs…….Koscielny….Mertesacker..Debuchy
……………………..Szczesny………………………
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Während Cazorla für Özil und der junge, bullige Mittelfeldspieler Alex Oxlade-Chamberlain für Ramsey oder Wilshere der erste Ersatz werden dürfte, gibt es für den Sturm mehrere Optionen unterschiedlicher Spielertypen. Giroud und Sanogo stehen als groß gewachsene, kopfballstarke „Brecher“ weiterhin zur Verfügung, Lukas Podolski sollte die Rolle des ausweichenden zweiten Halbstürmers ähnlich gut liegen wie Walcott und Sanchez.
Auch einer von Costa Ricas WM-Helden, der 22-jährige Joel Campbell – gelernt ein inverser Rechtsaußen – würde gut in dieses System passen. Allerdings halten sich sowohl um Podolski als auch um Campbell hartnäckige Wechselgerüchte, obwohl beide bei den Fans ein gutes Standing haben. Diese würden wohl lieber Giroud oder Sanogo verkaufen.
Alles in allem würde diese Art von 4-1-2-1-2 bzw. 4-3-3 mit falscher Neun sehr gut zu den Fähigkeiten der Einzelspieler passen – nicht nur zu denen der ersten Elf. Ob und wie es tatsächlich umgesetzt wird, hängt auch davon ab, wann wieder mit Theo Walcott zu rechnen ist und ob die Schlüsselfiguren Ramsey und Wilshere fit bleiben.
So könnte die Saison laufen
Nach einem fulminanten 3:0-Sieg im Community Shield gegen Meister Manchester City erwarteten viele, dass die Gunners schon in den ersten Ligaspielen ihre Fans verzaubern würden. Doch das neue Arsenal ist noch nicht so weit, dass es wie eine Maschinerie über seine Gegner hinwegfahren kann. Beim 2:1-Auftaktsieg gegen Crystal Palace half ein Lucky Punch durch Aaron Ramsey kurz vor Schluss, einen Fehlstart zu vermeiden. Das 0:0 in der Champions-League-Qualifikation bei Besiktas Istanbul war ebenfalls eher ernüchternd.
All dies zeigt, dass der 13-malige englische Meister (zuletzt 2004) noch einige Zeit benötigt, um sein volles Potenzial auszuschöpfen. Schließlich fehlten zuletzt auch noch einige der wichtigsten Spieler. Doch viel Zeit bleibt nicht: Wird das Rückspiel gegen Besiktas am nächsten Mittwoch nicht gewonnen, wird erstmals seit 17 Jahren der Einzug in die Champions League verpasst. Das käme einer Katastrophe gleich und wurde viel Unruhe mit sich ziehen. Insofern ist das Spiel nächste Woche ein richtungsweisendes für die gesamte Saison – gerade, was die Stimmung in Team und Umfeld betrifft.
In der letzten Saison stand Arsenal lange auf dem ersten Platz, brach zu Beginn der Rückrunde jedoch vor allem in den Spitzenspielen ein und musste am Ende sogar um den vierten Platz fürchten. In der Champions League sind die Gunners seit einigen Jahren vom Pech verfolgt: Zuletzt wartete zweimal im Achtelfinale der FC Bayern, zuvor zog man mehrfach in einem frühen Aufeinandertreffen mit dem FC Barcelona zu dessen Glanzzeiten den Kürzeren.
Trotz des großen Potenzials in der Mannschaft ist das kommende Jahr erneut eine Art Übergangsjahr: Neue Spieler, neues System und noch härtere Konkurrenz in der Liga. Die beiden Klubs aus Manchester sowie Chelsea und Liverpool haben stark aufgerüstet, die Top vier bleibt damit das primäre Ziel der Gunners, das erstmal erreicht werden muss. Zuzutrauen ist den Roten und Trainerfuchs Arsene Wenger jedoch alles – auch, dass der Pendelausschlag im Übergangsjahr gerade in einem K.o.-Turnier wie dem FA Cup oder sogar der Champions League zu einem großen Titel führt.